Reportage

Verona went Vienna.
Reisejournalistische Randbemerkungen zur "Hochzeit des Jahres"

Ein Artikel von Annette Krus-Bonazza, der Autorin des Guides »Wien MM-City« (2. Auflage 2005). Pünktlich zur Neuauflage kommentiert die leidenschaftliche Reisebuchautorin ein »Medienereignis ersten Ranges«, wobei sie auf die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Verona Feldbusch und Sisi stieß – und nebenbei hinter die Kulissen der bekanntesten und feudalsten Gastrohäuser der österreichischen Metropole geblickt hat.


Am 10. September fand im Wiener Stephansdom die kirchliche Hochzeit von Verona Pooth, geborene Feldbusch, statt. Obgleich sich viele Österreicher darüber echauffiert und Dompfarrer Anton Faber für sein Einverständnis heftig kritisiert hatten, trat ausgerechnet der (von Dieter Bohlen) geschiedene deutsche Werbestar als erste Braut seit 15 Jahren vor den Hochaltar der altehrwürdigen Bischofskirche. Weil die ehemalige Miss Germany (1993), attraktiv-naive »Spinatwachtel«, (standesamtliche) Ehefrau und Mutter den schönsten Tag des Lebens und zweijährigen Geburtstag ihres Sohnes auch sonst completamente alla viennese verlebte, lassen wir die Ereignisse hier noch einmal aus reisejournalistischer Perspektive Revue passieren.


Unschuldiges Sexsymbol im »Manner-Shop«

Wie viele (Frauen) von der nicht nur in Wien grassierenden »Sisimania« infiziert, wollte Verona ihren Franz-Josef, kurz Franjo, heiraten wie einst Elisabeth, genannt Sisi, den ihren. Deshalb trug das sonst meist offenhaarige (und -herzige) Sexsymbol der Spaßgeneration eine brave Hochsteckfrisur und eine hoch geschlossene, unschuldig weiße Lagerfeldkreation. Mit diesem Outfit konnte die 37-Jährige, entsprechenden Abbildungen zufolge, durchaus mit der damals nicht einmal halb so alten Prinzessin in Bayern konkurrieren. Allerdings hatte die populäre Regentin dem österreichischen Kaiser Franz-Joseph am 24. April 1854 das später wahrscheinlich oft bereute Jawort – nach alter Habsburger Sitte – in der nahen Augustinerkirche (nicht im Stephansdom!) gegeben.
Doch zurück auf den Stephansplatz anno 2005, wo sich Werbekönigin Verona bereits einen Tag vor der Hochzeit Volk und Medienvertretern zeigte und dem neuen »Manner-Shop« einen Besuch abstattete. Der im Juni letzten Jahres eröffnete, in rosarot getauchte Süßwarenladen ist eine Reminiszenz an das kleine Schokoladen- und Feigenkaffeegeschäft am Stephansplatz, in dem vor mehr als 100 Jahren die Geschichte der gleichnamigen Wiener Süßwarenfabrik begonnen hatte. Weil Inhaber Josef Manner mit der Qualität seiner Schokoladenlieferanten nicht mehr zufrieden war, beschloss er das damals teure Genussmittel selbst zu produzieren und erwarb zu diesem Zweck die Konzession und bescheidene Betriebsstätte eines kleinen Schokoladenerzeugers im 5.Wiener Gemeindebezirk; hier gründete er am 1. März 1890 die »Chocoladenfabrik Josef Manner«.


Der Kult um die Nougatwaffeln

Weil die Produktionsanlagen in der Wildenmanngasse schon bald zu klein waren, übersiedelte er noch im selben Jahr in seinen Heimatstadtteil Hernals (17. Bezirk). Dort wuchs rund um sein Elternhaus eine Fabrik, die 1897 bereits 100 Arbeiter zählte. Nach dem Einstieg von Partner Johann Riedl war der Erfolg nicht mehr aufzuhalten: Das Unternehmen expandierte weiter, um später, zur Aktiengesellschaft umgewandelt, gemäß dem Firmenmotto »gut und preiswert« vornehmlich Tafelschokolade, Schokoladen-Bonbons und Kakao in Dosen herzustellen. Die »Neapolitaner-«, im Volksmund »Manner-Schnitten« wurden 1898 als »Neapolitaner Schnitte No. 239« erstmals urkundlich erwähnt und spielten in der Produktpalette der Gründerjahre nur eine Nebenrolle. Sie verdanken ihren Namen den ursprünglich aus Neapel importierten Haselnüssen für die Füllung der mundgerechten fünfschichtigen Waffeln, die ansonsten aus Zucker, Kokoksfett und Kakaopulver besteht. ((gut))
Nicht erst seit sich Arnold Schwarzenegger in Terminator 3 mit den knusprigen Nougatwaffeln aus der alten Heimat stärkte, sind die Manner-Schnitten süßer Kult, zumal die anlässlich ihres 100. Geburtstags wieder aufgelegte Nostalgieverpackung schon lange als österreichischer Design-Klassiker gewürdigt wird. Anfangs in Schachteln mit rosa Schleifen, dann in Blechdosen aufgeschichtet, seit 1949 in Aluminiumfolie geschweißt und den 1960-er Jahren mit »klimadichter« Hülle und Aufreißfaden versehen, wurden sie von jeher mit der blau aufgedruckten Silhouette des Stephansdoms verziert. Allein die fehlte auf der mannerrosaroten Hochzeitskutsche, mit der sich die Wiener Süwarendynastie für Veronas werbewirksame Stippvisite erkenntlich zeigte. Sie schickte das blumengeschmückte Gefährt ins Hotel Imperial, das 1863 als Privatresidenz erbaut und anlässlich der Weltausstellung von 1873 in ein Hotel umgewandelt wurde und seither die Mächtigen, Reichen und Schönen dieser Welt beherbergt. Vom diesem ersten Haus am Platz, wo die glückliche Kleinfamilie Pooth während der Vermählingsfeierlichkeiten für gut 4000 Euro die Nacht hochherrschaftlich logierte, zogen weiße Pferde das Brautpaar über die Ringstraße zum Stephansdom.


Eine von nostalgisch-imperialem Flair umwehte, vierstöckige Kalorienbombe

Nach der Trauung, die eine deutsche Illustrierte mit fünf Buchstaben exklusiv fotografisch dokumentierte, versammelte sich die geldadelige Hochzeitsgesellschaft im Kursalon im Stadtpark, einem 1867 im Stil der italienischen Renaissance gehaltenen, hübschen »Lustschlösschen« mit Kaffeehaus, Konzert- und Veranstaltungssälen. Das Diner wurde vom international aktiven Wiener VIP-Szenegastronomen und Cateringunternehmer Attila Dogudan angeliefert, dem das (derzeit wegen Umbau geschlossene) aussichtsreiche, nach ihm benannte Do & Co im 7. Stock des Haas-Hauses gehört, wo er demnächst auch noch ein nobles Hotel eröffenen möchte. Auch hier genießen namhafte Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Sport erlesene Speisen mit Fenster- oder Terrassenblick auf den Stephansdom. Außerdem betreibt Dogudan ein ähnlich vornehmes Café-Restaurant mit Barlounge, Terrasse und »Essbar« in der Albertina, das unter demselben Namen firmiert und unabhängig vom Museumsbetrieb kulinarisch Hervorragendes aus der feinen wiener, der mediterranen und thailändischen Küche serviert. Dazu werden ausgesuchte Weine, danach Torten von der dem Dogudan-Imperium einverleibten Hofzuckerbäckerei Demelgereicht. Die Hochzeitstorte der Pooths kam deshalb ebenfalls aus der berühmten Konditorei am Kohlmarkt, die der Württemberger Zuckerbäcker Ludwig Dehne 1776 gründete und später von Chris-toph Demel übernommen wurde, der 1857 zum k.k.-Hofzuckerbäcker avancierte.
Nachdem die von nostalgisch-imperialem Flair umwehte, vierstöckige Kalorienbombe verspeist und der letzte Wiener Walzer getanzt war, flog Verona mit Franjo und Söhnchen San Diego nach Barbados. Das historische Vorbild hatte sich dagegen, ob der Regierungsverpflichtungen des Gatten, mit Flitterwochen auf Schloss Laxenburg südlich von Wien begnügen müssen. Dort gefiel es der Kaiserin bekanntermaßen ebensowenig wie im Schloss Schönbrunn oder in der Hofburg, wo ihr seit 2004 mit einem eigenen Sisi-Museum »gehuldigt« wird. Dessen düster-schwermütige Ausstellung visualisiert gewissermaßen den Mythos Sisi und zeigt Gemälde, Büsten, Skulpturen, Kleidungs- und Schmuckstücke, darunter das so genannte Polterabendkleid, in dem sich die blutjunge Verlobte von ihrer bayrischen Familie verabschiedet haben soll. Sie zitiert aus Sisis Tagebüchern, Briefen und Gedichten und dokumentiert mit Foto-, Film- und Pressematerial (Reise)Lust, Leid und Tod der melancholisch-magersüchtigen Monarchin, die – übrigens makabererweise am 10.September – 1898 in Genf ermordet wurde.


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