Bei jeder Neuauflage entdecken unsere Autoren Skurriles, das definitiv einen Besuch lohnt. Diesmal hat Dietrich Höllhuber während der Recherche für sein Sütirol-Buch (2. Auflage) einen außergewöhnlichen Wellness-Tempel ausfindig gemacht: die Therme Meran. Inwieweit eine 1.250 m2 Saunenlandschaft und ein 51.000 m2 großer Park ins eigentlich anständige Meran passen, wird sich freilich noch zeigen …
Meran – Goldener Herbst, Altweibersommer, gut eingepackte ältere Herrschaften sitzen auf den Bänken der Sommerpromenade … Da ist was dran, Meran hat nicht unbedingt den Ruf, eine Stadt zu sein, in der Action groß geschrieben wird (oder gar schräge Sichtweisen; dazu ist Meran viel zu anständig). Kuren – und das ist Merans historisches Erbe als Tourismusort – ist ja nun nicht gerade auf junge Nachtschwärmer und verrückte Typen eingestellt, oder?
Gigantomanisches Wellnessangebot mit skurrilen Anwendungen
Das wird sich aber alles in Zukunft ganz gewaltig ändern, meinen (und hoffen) die Meraner Stadtväter. Sie haben einen Glaskubus in Auftrag gegeben, der eine schicke neue Therme enthält, und dort gibt es jetzt sämtliche Wellness-Angebote, die man sich vorstellen kann und eine ganze Reihe solcher, die man sich nicht vorstellen kann wie Apfelpeeling und, ich zitiere, »Lymphdrainage mit Wacholderöl« (klingt irgendwie anstößig, ist aber sicher anständig). Auf 1.250 m2 (!) Saunenlandschaft im hochmodernen Fitnesscenter und auf 1.400 m2 »Spa & Vital Center« (nicht mein Ausdruck, liebe Leser) wird der Besucher, dem insgesamt 25 Innen- und Außenpools zur Verfügung stehen, auf Hochglanz und beste Form getrimmt, dass er sich nachher im Spiegel nicht mehr erkennt. Um die Therme wurde der Park (lächerliche 51.000 m2 …) als mediterrane Landschaft gestaltet, und da das Klima Merans sogar Palmen, Ölbäumen, Japanischer Mispel, Pittosporum (duftet gut!) und anderen subtropischen Pflanzen das ganzjährige Draußensein erlaubt, ist das keine leere Floskel. Die neue Therme soll europaweit ihr Publikum finden; was zeitgenössische Einrichtung, Stil und Angebot betrifft, kann sie auch tatsächlich mit den besten Adressen konkurrieren. Meran hat schließlich 150 Jahre Kurtradition, und was Kaiserin Sissi (ja, hier war sie auch), Franz Kafka, Richard Strauß, Rainer Maria Rilke und den bis zu den Neuregelungen für Auslands-Kuraufenthalte maßgeblich vertretenen deutschen Krankenkassenpatienten gut getan hat, das sollte auch mir und dir (pardon, Ihnen) gut tun.
Der Hotel-Hattrick und typische Osterbräuche
Der Architekt ist so ungewöhnlich wie seine neue Therme. Matteo Thun, Mailänder und aus alt-österreichischer (Tiroler) Adelsfamilie, war Schüler Oskar Kokoschkas in Salzburg, machte seinen Doktor in Florenz, war Mitarbeiter von Ettore Sottsass und Uni-Prof. in Wien und plant seit 1984 seine Projekte auf eigene Faust und Rechnung. Wie das ebenfalls erst drei Jahre alte Vigilius Mountain Resort über Lana südlich Meran, ein hyper-schickes, durch Understatement gewinnendes Berghotel, oder wie das Side Hotel in Hamburg. Die neue Therme ist sozusagen sein Hattrick, also anschauen! Nebenan wurde übrigens vor wenigen Wochen das neue Steigenberger Hotel eröffnet, ein in Grenzen moderner, aber keineswegs avantgardistischer Bau, der Merans Überangebot an teuren Hotels markant erweitert.
Meran im Herbst, da kommen sie alle. Meran im Frühjahr, Ostern etwa, ist nicht so überlaufen und die blühenden Bäume, Sträucher und Blumenrabatten entschädigen allemal, dass es nicht so warm ist. In manchen Jahren kann man ja oben in Meran 2000, bequem mit der Seilbahn erreichbar, sogar noch Skifahren. Am Ostersonntag muss ein echter Südtiroler »Fochaz« auf dem Tisch sein, der typische Osterkuchen, ein als Ring geformter Hefestriezel. Das Wort stammt übrigens aus dem Lateinischen (über das in Teilen Südtirols noch gesprochene Rätoromanische) wie das italienische »Focaccia« und bedeutet das gleiche: Ofenbrot. Mit genügend gefärbten Eiern fürs »Eierpecken« (oder »Preisguffen«) sollte man sich ebenfalls wappnen; ein nicht verwendetes Ei, das man zum Schluss unter dem Tisch hervorzaubert, garantiert den Sieg (und die Eier der anderen).
Informationen:
Unterkünfte: Meran ist zu teuer? Diese Pension (die Lieblingspension des Autors) ist es nicht: Pension Sonnengarten, Leitergasse 22 am westlichen Stadtrand komplett von Obstgärten umgeben, Tel.: 0039/0473/220177, Fax: 0039/0473/442052, www.sonnengarten.it. Einfach, aber freundlich, gemütlich, in gutem Sinne traditionell.
Wer mehr Luxus sucht ist, in vielen Vier- und einigen Fünfsternhotels gut aufgehoben, am besten gefällt dem Autor die charmante Villa Tivoli, Verdistraße 72, ebenfalls in Einzellage und westlich der Stadt am Fuß der Weinberge, die bis nach Dorf Tirol hinauf reichen, Tel.: 0039/0473/446282, Fax: 0039/0473/446849, www.villativoli.it.
Internet: Mehr zur Therme Meran – vor allem die Preise und die verschiedenen Paket-Angebote – verrät die Internetseite www.thermemeran.it, alternativ informieren unter Tel.: 0039/0473/252000 und Fax: 0039/0473/252022.