10 Neuerscheinungen (und über 40 Neuauflagen) aus dem Michael Müller Verlag haben es 2008 in die Buchhandlungen geschafft. Eine davon ist der Reiseführer »Lago Maggiore« (1. Auflage 2008) von Eberhard Fohrer und Hans-Peter Koch. Ersterer hat die EM-Tage in Ascona verbracht und sich über das Quartier der Nationalmannschaft seine Gedanken gemacht. Warum nur hat der entscheidende Kick gefehlt? Ein Nachbericht unseres Reisejournalisten und Fußballexperten Eberhard Fohrer.
Die Fahnen sind eingerollt, aus und vorbei, es hat nicht sollen sein. Trotzdem, nach dem »Geist vom Grunewald« (wir erinnern uns an das berühmte Schlosshotel) bei der WM 2006 hat der »Geist von Ascona« unsere WM-Mannschaft wieder weit gebracht. Im entscheidenden Spiel hat es dann gehapert, ähnlich wie zwei Jahre zuvor im Halbfinale – aber es kann ja nicht immer alles klappen. An den Quartieren hat es sicherlich nicht gelegen. Oder doch?
Gewinner war in jedem Fall Ascona, dieses kleine idyllische Urlaubsörtchen am nördlichen Lago Maggiore, in dem sich Anfang des 20. Jh. die frühen Hippies und Weltverbesserer trafen. Nun hat man endlich mal wieder Schlagzeilen gemacht. Es ist schön dort auf der »Sonnenterrasse der Schweiz«, ein wenig nostalgisch, fast wie eine kleine Zeitreise in die sechziger Jahre. An der Uferpromenade reihen sich die nicht mehr ganz taufrischen Lokale und selbst während der EM herrschte kaum Aufregung, wenn Lehmann vorbeiradelte oder Schweini für Fotos posierte.
Immerhin, in der Bar »Seven« direkt am Wasser gab es ein kleines, schwimmendes Fußball-Feld und eine Bühne mit Großleinwand, auf der die EM-Spiele gezeigt wurden. Dort sah man gelegentlich Oliver Neuville mit Mutter, Freundin, seinem elfjährigen Sohn und Freunden – er ist in Ascona geboren und kennt sich aus. Auch die deutschen Journalisten hatten bald ihr Lieblingslokal gefunden, der Mann der Zeitung mit den großen Buchstaben speiste im »Il Torchio«, andere in der gemütlichen Osteria »Carra« oder man traf sich bei Frau Wirtin in der Bar »Kiki«, um die spannenden Fragen rund um die EM zu erörtern. Doch trotz aller tiefschürfender Analysen, die entscheidende Problematik konnte keiner abschließenden Lösung zugeführt werden: Warum, warum nur, hat im letzten Spiel der entscheidende Kick für unsere Helden gefehlt?
EM-Vorbereitungen im Geist von Hermann Hesse und Max Ernst
Einen kleinen Beitrag zur Beantwortung mag ein Blick auf das Quartier bringen, das der Deutsche Fußballbund (DFB) für seine Equipe ausgesucht hat: Das Fünf-Sterne-Superior-Hotel »Il Giardino«. Mit seiner wunderschönen Gartenlandschaft und einem herrlichem Blick auf die Schweizer Berge liegt es in der Schwemmlandebene des Maggia-Flusses direkt am See. »Einen Glückstreffer« nannte Oliver Bierhoff das exklusive Haus am Lago, die »perfekte Trainingsstruktur« sei hier zu finden gewesen.
Tatsächlich ist das Sportgelände nur zehn Autominuten vom Hotel entfernt, in Tenero am Nordende des Lago Maggiore. Das dortige »Centro Sportivo Nazionale della Gioventù« besitzt sechs Fußballplätze, von denen die Deutschen drei exklusiv nutzen durften. Zusätzlich gibt es eine Großturnhalle und ein Schwimmzentrum mit drei unterschiedlich großen Becken. Und obwohl die deutsche Elf in der Vorrunde nur im benachbarten Österreich spielte, hielten Bierhoff und Löw an ihrer Entscheidung für das Hotel Giardino mit seinem angrenzenden Golfplatz fest. Und dabei war es anfangs gar nicht mal die erste Wahl gewesen. Zunächst war nämlich der unmittelbare Fünf-Sterne-Nachbar »Castello del Sole« (siehe S. 77 im soeben erschienenen Reiseführer »Lago Maggiore«) angefragt worden. Doch das »Sonnenschloss« wollte seine langjährigen Junistammgäste nicht ausladen und sagte den Kickern mit großem Bedauern ab. So sollte es also das »Il Giardino« werden, in dem immerhin schon Hermann Hesse und der Maler Max Ernst logiert haben. Für die Dauer der EM wurde es exklusiv an die deutschen Kicker und ihren 60-köpfigen Tross vergeben, damit sie im »noblen mediterranen Ambiente italienisches ›dolce vita‹, gepaart mit schweizerischer Präzision und Diskretion« (so die Hotelbroschüre) erleben durften. Dreh- und Angelpunkt war dabei der für den Hotelnamen verantwortliche »Giardino«. Er ähnelt mehr einem Park als einem Garten, hat mediterranen Charakter, verfügt über prächtigen alten Baumbestand und einen sehr großen Seerosenteich, seltene Kräuter gedeihen dort und die Vielfalt der Pflanzen und Blumen ist beachtlich.
Römische Terme statt kalter Dusche?
In Prospektsprache lesen sich die Vorzüge des »Il Giardino« etwa so: »Zu jeder Jahreszeit lädt der großzügige Garten zum Träumen und Verweilen ein« … und weiter: »Die insgesamt 72 Zimmer und Suiten sind vom Designer Carlo Rampazzi ausgestattet worden und verströmen eine elegante und originelle Leichtigkeit. Für den kulinarischen Genuss stehen zwei Restaurants und mehrere Bars zur Verfügung. Im Sommer lockt außerdem die Poolbar und auch in der eleganten Bar Lounge kann man sich kleinere Gerichte und Getränke schmecken lassen. Das hoteleigene Spa ist im Stil eines altrömischen Badetempels gehalten und besitzt neben dem Badebereich eine Wellnesszone, Saunen und Anwendungsräume für Kosmetik.« ….
Und nun kommt man vielleicht ein wenig ins Grübeln. Kann soviel Luxus gut sein für sportgestählte Körper: Verwöhnung statt Anspannung, römische Terme statt kalter Dusche, Träumen im Park und Abchillen in bequemen Designerpolstern, Poolbar und Wellness vor und nach dem Spiel? Sicherlich, man wird nie erfahren, ob eine Jugendherberge mit Mensacharakter den Unseren besser getan hätte. Natürlich möchte es Ihnen auch niemand zumuten, den Millionenjungs. Doch der kleine Schatten eines Zweifels bleibt – in einer mondhellen Nacht am See, wenn alles schweigt und man nur die zirpenden Geräusche der Zikaden hört, dann seh‹ ich sie in Schlafsäcken ums Lagerfeuer sitzen und die alte Tugend zelebrieren: »Alle für einen, Einer für alle« … Man erinnert sich vielleicht auch an 1974, als der nüchterne Charme der Sportschule Malente in Schleswig-Holstein Beckenbauer und Mannschaft zur Weltmeisterschaft verhalf. Andererseits diente beim Weltmeisterschaftsgewinn von 1990 das edle »Castello di Casiglio« aus dem 15. Jh. im oberitalienischen Erba Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann als Rückzugsort (wobei das aber nur vier Sterne hatte). So ist die Antwort ungewiss und wird es lange bleiben. -
Planschen mit Schweini und Kerners Küchenchef
Doch wie auch immer, der eine oder andere geneigte Leser wird zweifellos auf den Spuren von Ballack und Co. wandeln, und die Oase des Wohlbehagens kennen lernen wollen. Im selben Whirlpool planschen wie Schweini, im selben Bett nächtigen, das hat doch was. Doch leider leider, man kann nicht dieselben Matratzen nutzen, denn die hatten sich die DFB-Kicker selber mitgebracht – wie auch Ihren eigenen, überaus sympathischen Küchenchef, der vor kurzem in der Kerner-Kochshow Rede und Antwort stehen durfte. Ein Tipp noch: Optimal geeignet ist für den Aufenthalt sicherlich eine der komfortablen Suiten, die in der Hauptsaison etwa 700 Euro kosten (DZ etwas über 500 Euro).
So wünschen wir also viel Spaß im kleinen Ascona. Und wenn Sie sich tatsächlich einmal aus dem »Il Giardino« in die große Welt hinauswagen sollten – man weiß ja nie …- unser Reiseführer wird Ihnen mannschaftsdienlich zur Seite stehen.