Reportage

Im Zeichen des Stiers.
Salzburg als Weltmarktführer eines Kultgetränks

Ein Artikel von Barbara Reiter und Michael Wistuba, dem Autorenteam des Reiseführers »Salzburg & Salzkammergut«. Sie haben ein besonderes Kapitel bzw. Getränk aufgemacht, für das jährlich 650 Mio. Euro Marketingmaßnahmen investiert werden – und trotzdem noch Geld für drei Steckenpferde des Unternehmers Dietrich Mateschitz übrig bleiben; diese lebt er natürlich in Salzburg aus.


Schon seit langem spielt der Stier in der Stadt Salzburg eine besondere Rolle. Da gibt es etwa eine aus dem Mittelalter stammende Freiorgel auf der die Stadt überragenden Festung Hohensalzburg: sie trägt wegen ihrer brüllenden Akkorde den Namen »Salzburger Stier«. »Salzburger Stier« heißt auch der vor rund 20 Jahren erstmals in der Stadt verliehene Kabarettpreis, der mittlerweile zu den begehrtesten im deutschsprachigen Raum zählt. Selbst der Scherzname für die Salzburger hat mit Stieren zu tun – nach einer Legende über bemalte und wieder gereinigte Stiere werden sie »Stierwascher« genannt.

Festung Salzburg
Festung Salzburg

In den letzten Jahren begann in der »Stiergeschichte« allerdings ein neues Kapitel. Im Mittelpunkt steht eine besondere Ausprägung des Tieres: der rote Stier, englisch »Red Bull«. Ja genau: Dieser goldgelbe, süß wie Kinderhustensaft schmeckende und wie eine Tasse Kaffee aufputschende Energy-Drink in der blau-silbernen Dose mit den roten Stieren ist gemeint! Obwohl teurer als jedes Konkurrenzprodukt, hat sich das in Österreich erzeugte Getränk in den zwei Jahrzehnten seit seiner Einführung 1987 zum Weltmarktführer entwickelt. Rund 2,5 Milliarden Dosen werden heute jährlich verkauft, der Gewinn des Unternehmens soll an die 300 Mio. Euro pro Jahr betragen. Red-Bull-Boss und Firmengründer Dietrich Mateschitz, ein steirischer Geschäftsmann, Werbe-Profi und Wahl-Salzburger, startete einst bei Null und findet sich heute in der Forbes-Liste unter den 350 Reichsten der Welt.


Ein Fußballclub und Flugshows als Werbemaßnahmen

Hauptgründe für den Erfolg von Red Bull sind die genial-kreative Werbung (»Red Bull verleiht Flügel«) und umfangreiche Marketingaktivitäten, für die pro Jahr 650 Mio. Euro bereit stehen. Wurde das Geld anfangs vorwiegend in Extremsportarten, wie Klippenspringen oder Freeriding investiert, kamen ab 2004 die werbewirksameren Engagements in Motorsport und Fußball hinzu. Eines der ersten »Opfer«, über das sich das Sponsor-Füllhorn ergoss, war der traditionsreiche Bundesligaklub der Stadt Salzburg, Austria Salzburg, der seither unter dem Namen »Red Bull Salzburg« auf den Spielfeldern einläuft. Als Klub-Berater fungiert Mateschitz-Freund Franz Beckenbauer, den Aufstieg an die Spitze der Champions-League sollte das Trainer-Duo Giovanni Trapattoni und Lothar Matthäus gewährleisten, das im Mai 2006 unter lautem Mediengetöse (»Der Ösi-Hammer des Jahres« titelte z.B. die Bild-Zeitung) präsentiert, mittlerweile aber wegen Erfolglosigkeit wieder abgelöst wurde.

Air Race Budapest
Air Race Budapest

Das viele Geld von Red Bull bescherte der Stadt Salzburg auch eine neue Sehenswürdigkeit. 2003 wurde am Salzburger Flughafen der Hangar 7 eröffnet, eine spektakuläre Flugzeughalle aus Stahl und Glas. Sie beherbergt die Flying Bulls, historische Flugzeuge, vom Hubschrauber bis zum Düsenjet, von Hobbyflieger Mateschitz und seinem Team zusammengetragen und täglich von 9 bis 22 Uhr bei freiem Eintritt zu besichtigen. Die flugbereiten Oldtimer werden bei Air-Shows eingesetzt, u.a. bei der Air Challenge, die jeweils Mitte Juli am nahen Wolfgangsee stattfindet und mit spektakulären Wasserlandungen punktet. Die Flying Bulls bestreiten auch das Rahmenprogramm der Red Bull Air Races, einer von Red Bull erfundenen Wettkampfserie. Kunstflieger absolvieren dabei mit atemberaubenden Stunts einen Hindernisparcours, der meist auf freien Flächen inmitten von Großstädten wie Berlin, Budapest oder Abu Dhabi ausgeflaggt wird. Ebenfalls im Hangar 7 zu sehen sind die Showcars aus den beiden Formel-1-Rennställen Red Bull Racing und Scuderia Toro Rosso, die seit 2004 bzw. 2005 zum Energy-Drink-Unternehmen gehören.


Drei Hauben für Ikarus – die Gastroszene als weiteres Steckenpferd Mateschitz

Hangar 7
Hangar 7

Ein weiteres Steckenpferd von Red-Bull-Chef Didi Mateschitz ist die Umsetzung neuer Gastronomieformen und sein liebstes Experimentierfeld die Stadt Salzburg. Den Anfang machte das mittlerweile mit drei Hauben ausgezeichnete Ikarus im Hangar 7 (tgl. 12-14, 18.30-22 Uhr). Das Gourmet-Restaurant unter der Patronanz von Kochlegende Eckart Witzigmann ist nicht nur wegen seiner Location in einer Flugzeughalle einzigartig, sondern auch wegen seines Konzepts kulinarischer Weltreisen. Monatlich wechselnde Gastköche, allesamt hoch dekorierte Haute-Cuisine-Stars aus aller Welt kreieren jeweils drei für sie typische, mehrgängige Menüs (40-80 Euro). Nicht minder unkonventionell ist die Gastronomie-Idee, die mit Red-Bull-Millionen im August 2005 im Herzen der Altstadt realisiert wurde: Im edel gestylten Finest Fingerfood Carpe Diem (tgl. 8.30-24 Uhr) in der Getreidegasse Nr. 50 werden Fleisch-, Fisch- und vegetarische Gerichte zubereitet, in knusprige Waffeltüten verschiedener Geschmacksrichtungen gefüllt und mit Fingern verspeist. Die Stanitzel, neudeutsch Cones genannt, erhält man einzeln und mit einem halben Dutzend davon dürfte auch ein durchschnittlicher Mittagshunger gestillt sein. Wer diesem ganz konventionell mit Messer und Gabel bekommen möchte, kann in das Restaurant im Obergeschoss ausweichen.

Afro-Café
Afro-Café

Am Salzburger Bürgerspitalplatz Nr. 5, nur einen Steinwurf vom Carpe Diem entfernt, wurde im Mai 2007 mit der Eröffnung des Afro-Cafés ein weiteres Gastro-Experiment von Didi Mateschitz gestartet. Dieser erste europäische Ableger eines Edel-Kaffeehauses aus dem südafrikanischen Kapstadt bietet eigens kreierte afrikanische Kaffee- und Teesorten an und soll sich bei entsprechendem Erfolg von Salzburg aus als Kaffeehaus-Kette über Europas Hauptstädte verbreiten.

Die Konzernzentrale von Red Bull befindet sich übrigens 20 km östlich der Stadt Salzburg im idyllischen Ferienort Fuschl am See. Jeder auf dem Weg von der Mozartstadt ins Salzkammergut kommt an dem direkt an der Wolfgangseebundesstraße neu errichteten Bau vorbei. Es sind zwei kegelförmige Gebäude, verkleidet mit Platten aus dunkelgrauer Lava, die wie kleine Vulkane aus einem künstlichen See ragen. Ein außergewöhnliches Stück Architektur – nichts anderes war vom »Roten Stier« zu erwarten.


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