Reportage

Ganz schön cool:
Istanbul im Winter

Michael Bussmann und Gabi Tröger sind unsere zwei Türkei-Experten. Da versteht es sich von selbst, dass sie Istanbul – die 3. Auflage des MM-City-Guides ist soeben erschienen – auch im Winter kennen gelernt haben. Was man dort bei frühlingshaften, aber auch bei winterlichen Temperaturen treiben kann, welche Museen und Clubs sich lohnen und was man neben dem Besuch eines türkischen Hamams sonst noch in der Millionenmetropole erlebt, beschreiben sie in ihrem neuesten Artikel.


Es gibt wohl keinen größeren Befürworter für eine Istanbul-Reise im Winter als den am Bosporus lebenden Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. In seinen kürzlich auf Deutsch erschienenen, autobiographischen Skizzen »Istanbul. Erinnerungen an eine Stadt« notierte er: »So wie andere Kinder sehnsüchtig darauf warteten, in den Schulferien irgendwohin fahren zu dürfen, wartete ich jeden Winter darauf, dass es endlich schneite, und zwar nicht, um draußen im Schnee spielen zu können, sondern weil ich die Stadt unter der Schneedecke einfach ›schöner‹ fand.«
Wer dieses oder andere Bücher von Pamuk gelesen hat, glaubt ihm aufs Wort. Meist stapfen seine Antihelden an einem »bleigrauen Wintermorgen« durch die Stadt, es fällt »tiefer, trauriger Schnee«, der Istanbul »wie eine depressive Stimmung bedeckt« … In der Sonne glänzende Moscheenkuppeln, lauschige Sommernächte am Goldenen Horn, Kinder, die in Brunnen plantschen – Fehlanzeige! Orhan Pamuk hasst das geleckte, touristische, ja »sommerliche Istanbul«. Lieber erzählt er von der Kälte, von heruntergekommenen, düsteren Gassen und vom Ruf der Nebelhörner der von dicken Schwaden umhüllten Bosporusfähren. Ganz klar: Wer sich von Pamuks melancholischen Istanbulbeschreibungen begeistern lässt, der will nicht im Sommer nach Istanbul.


Mit spannenden Museen und einem Glas Sahlep gegen die Winterkälte

Doch Pamuks verschneites Istanbul ist eher die Ausnahme denn die Regel, vor allem in einem Winter wie diesem. Die Statistik weist nur vier bis fünf Schneefalltage im Jahr aus. Und so schnell wie der Schnee gekommen ist, so schnell ist er dann meist auch geschmolzen. Dafür jedoch sorgt er stets für ein liebenswürdiges Chaos. Der Verkehr bricht komplett zusammen, und so manche Hausfrauen starten Hamsterkäufe – es könnte ja ein Jahrtausendwinter werden. Und in der ganzen Stadt, so Pamuk, dreht sich dann »alles um ein einziges, gemeinschaftliche Gefühle stiftendes Thema: den Schnee.«
Winter in Istanbul kann aber auch ganz anders sein. Da gibt es frühlingshafte Tage, an denen man seinen Nachmittagskaffee in der Sonne trinken kann. 24 °C wurden schon im Februar gemessen, aber auch schon 10 °C unter Null. Meist jedoch schwankt das Thermometer im Februar im Plusbereich zwischen 2 und 9 °C.
Leider kennt der Istanbuler Winter aber auch Tage mit einem nicht enden wollenden, alles durchdringenden Nieselregen. Das macht aber nichts: Istanbul hat viel zu bieten, ohne dass man sich lange in der Kälte oder im Regen aufhalten müsste. Wie jede Weltstadt besitzt Istanbul eine Vielzahl großartiger Museen, allen voran das archäologische. Aber auch das Kunstmuseum »Istanbul Modern« ist einen Besuch wert, oder die zum Museum deklarierte Hagia Sophia, knapp 1000 Jahre lang die größte Kirche der Menschheit. Man kann aber auch durch Paläste streifen wie den Topkapi-Serail oder den Dolmabahce-Palast. Dazwischen trinkt man ein Glas heißen Sahlep. Knollen des Knabenkrauts werden dabei mit Milch aufgekocht, mit Zimt gewürzt und extrem gesüßt. Das beugt jeder Erkältung vor – die Türken schwören darauf.


Tobende Bären in der Clubbingszene und drei Konzerthighlights

Oder man geht shoppen. Die Basare mit ihren Waren aus 1001 Nacht sind größtenteils überdacht, dazu gibt es extravagante moderne Konsumtempel – Istanbul ist ein Einkaufsparadies! Eine Shopping Mall führt Sie gar aufs Glatteis: Die Galleria Ataköy im gleichnamigen Stadtteil besitzt eine Eislaufbahn. Die meisten Besucher sind Anfänger, für Slapstick am Rande ist also gesorgt. Der Kälte entkommt man auch im Hamam, dem türkischen Dampfbad. Ein paar Schwitzstunden in der heißnassen Luft, umsorgt von eifrigen Masseuren, wirken Wunder.
Winterzeit ist außerdem Clubbingzeit am Bosporus. Während im Sommer viele Clubs der Stadt an die Küste ziehen (und mit ihnen die Partypeople), tobt im Winter der Bär in Istanbul. Jazz, Elektro oder schräger Punkrock – man hat die Qual der Wahl. Ein paar Konzert-Highlights im Februar: Am 9. Februar hat der eigenwillige amerikanische Songwriter und Sänger Bonnie »Prince« Billy alias Will Oldham seinen großen Auftritt im Cemal Rešit Rey Konser Salonu im Stadtteil Harbiye. Hart und düster wird’s beim Konzert von Laibach am 13. Februar im Club »Yeni Melek«. Marc Almond (»Tainted Love«) trifft am 14. Februar im Club Studio Live auf seine Istanbuler Anhänger. Und noch ein Tipp in Sachen türkische Musik: Sezen Aksu, die seit über 20 Jahren erfolgreiche »Madonna vom Bosporus«, stellt sich am 10. Februar im Bostanci Gösteri Merkezi auf der asiatischen Seite Istanbuls ihren Fans. Infos über alle Events auf der Seite www.biletix.com.
Übrigens: So billig wie zur Zeit kommt man nicht oft an den Bosporus! Etliche Airlines (auch THY oder Lufthansa) bieten Flüge bereits ab 100 Euro an.

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