Reportage

Von einer sehr reichen Bordellbesitzerin, einem Ufo- Museum und der definitiv coolsten Toilette der Welt -
Istanbul, einmal anders.

Ein Artikel von Michael Bussmann und Gabriele Tröger, den Autoren der Neuauflage des beliebten City-Guides »Istanbul«. Für unseren Newsletter haben sie ergänzend zu den zahlreichen Reisetipps im Buch ein buntes Potpourri an Eindrücken zusammengestellt. Egal ob Sie sich zu den langhaarigen Alternativos mit melancholischen Augen oder wilden Flaneuren der Nacht zählen – die türkische Millionenstadt werden Sie so schnell nicht wieder vergessen!


Da stehen Sie nun also! Umringt von 15 Millionen Istanbulern, von denen sich – so scheint es zumindest – gerade einmal Hundert- oder Zweihunderttausend gleichzeitig in ihren vier Wänden aufhalten. Der Rest verirrt sich in der Stadt. »Vorwärts, vorwärts« heißt die Devise, überall rast und schiebt und lärmt es, die Kakophonie einer chaotischen Stadt heißt Sie willkommen. Wer Istanbul wählt, wählt den stadtgewordenen Wahnsinn und – verlässt man die touristischen Vorzeigeviertel – ein Abenteuer.

Also los! Weg von den nach Schwitzfüßen der Touristen stinkenden Moscheen, nervenden Postkartenverkäufern, glitzernd-orientalischen Basaren und weg von all den »Joes« aus Australien und »Marcos« aus Rom mittendrin. Auf, auf, hinüber auf die andere Seite des Goldenen Horns – nach Beyoglu, wo die richtige Musik des Istanbuler Lebens spielt, die ganz spezielle und ganz laute, die für die wilden Flaneure der Nacht, für die barbiepuppenmäßig aufgemotzten Transvestiten, für die langhaarigen Alternativos mit den melancholischen Augen, die leimschnüffelnden Straßenjungs und die wirklichen Barbies auf dem Weg zur Caipirinha in einer schicken Dachbar mit Bosporusblick. Spätestens jetzt wird man merken, dass Istanbul kein »Kreuzberg in Groß« ist – denn wo sind die Männer mit bunten Käppies, die Frauen mit Kopftüchern, die verqualmten Teehäuser? Wer hier Moscheen sucht, wird Kirchen finden, die Hinterlassenschaft der nichtmuslimischen Minderheiten, die das Viertel über Jahrhunderte prägten und nicht zuletzt für die Freiheit verantwortlich sind, die Beyoglu bis heute kennzeichnet.

Und genau hier, zwischen Bars und Stars, bröckelndem Jugendstil und gestylten Jugendlichen, versteckt sich auch eine der originellsten und neuesten Attraktionen der Stadt: Istanbuls UFO-Museum, das erste auf dem europäischen Kontinent. Hier erfährt man alles über Menschenentführungen aus dem Weltall und den ultimativen Trip ins Universum. Wer lieber auf dem Boden bleibt, geht besser in die nächste schrille Bar und danach für kleine Mädchen oder Jungs hinab nach Besiktas – Sie wissen schon, dort wo Fußball Himmel auf Erden bedeutet … Denn hier gibt es die definitiv coolste Toilette der Welt, im Untergeschoss des etwas tristen Einkaufszentrums Büyük Besiktas Çarsisi. Sie gehört Mustafa Soydan, dem selbsternannten »Toilettenkönig«. »Wenn ich wüsste, dass es irgendwo in der Türkei eine bessere Toilette gäbe, würde ich mich von der Bosporusbrücke stürzen«, sagt er. Und in der Tat: Das Bedürfnisatelier der Luxusklasse duftet zart und ist über und über mit Plastikblumen, Kerzen, Bildern und gescheiten Statements dekoriert (die da zum Beispiel heißen: »Ich bin Mensch und die Menschen sollen etwas lernen für die Zukunft«). Falls das nicht stimuliert: In einer gemütlichen Sitzecke wird auch Mokka serviert. Danach können Sie sich ins Gästebuch eintragen.

Weiter geht’s mit dem Taxi zur ewigen Party nach Ortaköy. Aber bloß nicht in die falsche Richtung fahren, sonst landen Sie am Hafen von Karaköy! Dort, wo in geheimen, weitverzweigten Gassen das älteste Gewerbe der Welt blüht. Die Armenierin Matild Manukya, Mutter des größten Bordells des Viertels, erhielt schon eine staatliche Auszeichnung als höchste Steuerzahlerin des Landes und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. Aber: Wir schweifen ab. Zurück zu den Clubs von Ortaköy, diesen Tanztempeln am Ufer des Bosporus mit Blick auf die Kontinentalbrücken und über das Lichtermeer der Stadt. Der ausschweifende Frohsinn ist hier zu Hause und der Jetset des Landes. Rechnen Sie mit 30 Euro Eintritt und dann 6 Euro für jedes kleine Bier. Übrigens riechen auch hier die Toiletten nicht streng, man sucht sie vornehmlich zum Koksen auf.

Lassen Sie sich treiben in Istanbul, einmal anders. Auf jeden Fall schon mal iyi eglenceler, viel Spaß!


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