Ein Artikel von Irene Börjes, Autorin unseres Guides und unserer MM-Touring-Karte zu Gran Canaria. Für die Oktober-Ausgabe ist die Kanaren-Expertin tief in die Geschichte zurückgegangen, um sich mit dem (Alltags)Leben der Altcanarier zu beschäftigen. Wer sich neben den genialen Stränden für die archäologischen Funde des beliebten Winterzieles interessiert, kann jetzt in einem einzigartigen Museum die neuesten Forschungsergebnisse in Erfahrung bringen.
Am 26. Juli 2006 war es endlich soweit: Mehr als 7.000 Besucher konnten in die Welt der Altcanarier eintauchen. Die bedeutendste Fundstätte der Kanarischen Inseln wurde damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Eröffnung des archäologischen Parks, zu dem neben einem Museumsgebäude Höhlenkomplexe und Reste von Wohnbereichen der Ureinwohner Gran Canarias sowie ein nachgebildetes Dorf gehören, waren jahrelange Ausgrabungs- und Rekonstruktionsarbeiten vorangegangen. Und dann griffen auch noch höhere Gewalten ein: Die ursprünglich für Dezember 2005 geplante Eröffnung fegte ein Tropensturm jäh hinweg, der im gerade fertig gestellten Komplex erhebliche Verwüstungen anrichtete. Doch dieses Kapitel ist nun beendet – und der Park in jedem Fall einen Besuch wert.
Die Geschichte einer »bemalten Höhle« vor dem Hintergrund des spanischen Eroberungskampfes
Gáldar, im Norden Gran Canarias, war in der vorspanischen Zeit unter dem Namen Agáldar Zentrum eines der beiden vorspanischen Reiche der Insel. Durch Dokumente ist belegt, dass der Ort bei der Eroberung über ein Straßennetz, Paläste, Wohnungen und Kultstätten, teilweise in Höhlensystemen, verfügte.
1482, nach vier Jahren ergebnislosem Eroberungskampf, gelang es den Spaniern, das Oberhaupt von Gáldar, den Guanarteme Tenesor Semidán und seine Familie, gefangen zu nehmen. Dieser Schachzug wurde der Schlüssel zum Erfolg. Ehrerbietig behandelt, nach Spanien begleitet, damit er dort das spanische Königspaar kennen lernte, zogen die Eindringlinge den Herrscher geschickt auf Ihre Seite. Er ließ sich taufen, nahm den Namen seines Paten König Ferdinand an und nannte sich fortan Guanarteme Fernando. Seine Töchter heirateten spanische Offiziere. Auf lange Sicht haben die Spanier ihm seine Kooperation aber wenig gedankt, Agáldar wurde überbaut, zerstört und geriet in Vergessenheit.
Als Jahr der Wiederentdeckung gilt 1873. Der Hobbyarchäologe José Ramos Orihuela zwängte sich durch eine enge Öffnung im Boden eines Kakteenfeldes und fiel in eine Höhle. deren Wände mit geometrischen Zeichnungen und Malereien bedeckt waren. Seither wird sie«"Cueva Pintada, bemalte Höhle«, genannt. Spätere Erkundungsgänge offenbarten einen Höhlenkomplex, in dem selbst ernannte Forscher und Besucher Skelette und Gerätschaften entdeckten. Nahezu alle Funde aus dieser Zeit wurden von »Liebhabern« entwendet. Trotz der Aufrufe, die Höhlen zu schützen, überbaute der Landbesitzer sie später mit einer Bananenplantage. Erst nachdem eingedrungenes Wasser und die Atemluft von Besuchern die Wandbilder schon weitgehend zerstört hatten, ergriff die Regierung 1970 Schutzmaßnahmen: 1972 erhielt die Cueva Pintada den Status eines Historischen Kunstdenkmals, seit 1982 war sie für die Öffentlichkeit gesperrt.
Eine dreidimensionale Zeitreise in zwei Kinosälen
Bei den folgenden Räumungs- und Ausgrabungsarbeiten stießen die Archäologen auf Grundrisse und Mauern von mehr als 35 Wohnstätten und Gehöften. Schnell war deutlich, dass es hier nicht nur um die Cueva Pintada ging; man hatte Teile des vorspanischen Agáldar gefunden, dessen Zentrum der als historische Kultstätte gewertete Höhlenkomplex Cueva Pintada bildete. Die Ausgrabungen zeigen mehr über das vorspanische Leben als alle anderen Fundstätten der Altcanarier im Archipel. Doch allein das reichte den Historikern nicht. Sie setzten sich das Ziel, Agáldar für Besucher lebendig zu machen. Mit dem jetzt eröffneten archäologischen Park ist ihnen das gelungen.
Der Park gliedert sich in 4 Bereiche: Der Besucher betritt zunächst das Museum mit Ausstellungen von Fundstücken und zwei Kinosälen. In einem wird der Besucher auf eine dreidimensionale Zeitreise in die Vergangenheit entführt und mitten in das Leben der Altkanarier versetzt. Der andere zeigt einen Film über Gran Canaria in der vorspanischen Zeit, stellt die Geschichte, Entwicklung und den Untergang der Altcanarier vor. Im Außenbereich schließen sich Teile des ausgegrabenen Agáldar an, es folgen der Höhlenkomplex der Cueva Pintada und zum Abschluss rekonstruierte präspanische Häuser mit einem Gehöft, das alle Lebens- und Arbeitsbereiche zeigt.
Informationen:
Die Rundgänge erfolgen ausschließlich als Führungen auch in deutscher Sprache. Die Führungen beginnen zur vollen Stunde, Führungen in Deutsch Di-Sa jeweils um 15 Uhr. Die o. g. Filme werden ebenfalls in mehreren Sprachen gezeigt, selbst schriftliches Material ist mehrsprachig zu erhalten.
Vorläufige Öffnungszeiten: dienstags bis samstags von 9.30-20 Uhr. Letzter Einlass um 18.30 Uhr. Sonntags: 11-14 Uhr.
Eintritt: 6 €, Ermäßigungen für Kinder, Jugendliche, Studenten, Rentner und Gruppen, Kinder unter 10 Jahren frei.
Anfahrt: Der archäologische Park ist schon an den Zufahrten zu Gáldar ausgeschildert.
Mehr Infos unter www.cuevapintada.org, auch auf Deutsch.