Ein Artikel von Ralf Nestmeyer. Der Autor der Reisehandbücher »Cote d'Azur« (4. Auflage) und »Provence & Cote d'Azur« (5. Auflage) unternimmt einen cineastischen Ausflug in den Süden Frankreichs. Neben den Anfängen des Mediums Film widmet er sich dem Mythos »Brigitte Bardot«, der nicht wenig zur Verankerung von Saint-Tropez auf der touristischen Landkarte beitrug.
Die französische Mittelmeerküste hat in mehrfacher Hinsicht Filmgeschichte geschrieben. Hier wurde 1895 der erste Kinofilm gedreht, hier finden seit 1939 die berühmten Filmfestspiele von Cannes statt und vor genau 50 Jahren entstand in Saint-Tropez jener Film, der Brigitte Bardot zum Weltstar machte: »Und immer lockt das Weib«.
Als Filmkulisse hat sich der Süden Frankreichs längst einen festen Platz in der Kinogeschichte erobert. So drehten die Brüder Lumière im Jahr 1895 am Bahnhof von La Ciotat die Ankunft eines Zuges (»L’Entrée du train en gare de La Ciotat«), dessen spektakuläre Bilder dem damals neuen Medium Film zum Durchbruch verhalfen. Die Filmstudios von Marseille und Nizza genossen vor dem Zweiten Weltkrieg einen ähnlich ausgezeichneten Ruf wie die Produktionsfirmen im Berlin während der Weimarer Republik, und auch nach Kriegsausbruch wurde weiter gedreht: In den Victorine-Studios in Nizza entstand Marcel Carnés Klassiker »Les Enfants du Paradis« (»Kinder des Olymp«), die Hauptrollen spielten Arletty und der unvergessene Jean-Louis Barrault. Als die amerikanische Filmschauspielerin Grace Kelly kurze Zeit danach von den »Dächern von Nizza« ins fürstliche Gemach nach Monaco wechselte, um dort die weibliche Hauptrolle zu spielen, war die Scheinwelt des Kinos zur glitzernden Wirklichkeit geworden.
Inszenierter Skandal und der Aufstieg eines Küstenstädtchens zu einem Sündenbabel
Spektakulärer war allerdings ein anderer Kinoerfolg, der 1956 im damals noch verträumten Saint-Tropez gedreht wurde. Die Rede ist von »Und immer lockt das Weib« (»et Dieu créa la femme«), jenem Film von Roger Vadim, der Brigitte Bardot dank ihres Schmollmundes zum Weltstar machte und Saint-Tropez für immer auf der touristischen Landkarte verankerte. Der Skandal war wohl inszeniert: Bereits in der zweiten Einstellung sieht man die junge Bardot nackt, sich faul in der Sonne räkeln. Und so geht es munter weiter: Als unschuldig naives Waisenmädchen Juliette springt »B.B.« gut gelaunt und barfuß über den Strand von Saint-Tropez, um mit ihrer unnachahmlichen Laszivität die Männerherzen zu brechen und sich und ihre trotzigen Lippen zu einem Mythos zu formen.Schon wenige Wochen nach dem Kinostart galt Saint-Tropez als wahres Sündenbabel, wo halbnackte Frauen enthemmt Mambo tanzen. Jeder wollte nun natürlich just aus diesem Grund nach Saint-Tropez, obwohl es in dem Städtchen damals noch ziemlich prüde zuging. Das Küstenstädtchen erlebte einen rasanten Aufstieg. Ein Jahrzehnt später war »Saint-Trop« endgültig zum Treffpunkt der Reichen und Schönen, zum Treffpunkt der Playboys und Starlets geworden. Gunter Sachs ließ Rosen über Brigitte Bardots Villa regnen und die ersten barbusigen Schönheiten läuteten am Strand von Pampelonne ein freizügigeres Zeitalter ein, das durch die 68er-Generation zum Allgemeingut werden sollte.
Ludovic Cruchots Kampf gegen den Verfall der Sitten
Ein filmisches Dokument jener Jahre sind die unvergeßlichen Louis-de-Funès-Filme, in denen der große französische Komiker als Polizeichef Ludovic Cruchot über die Kinoleinwand tobte und nur ein Ziel vor Augen hatte: Dem drohenden Verfall der Sitten Einhalt zu gebieten und das Nacktbadeverbot an den Stränden durchzusetzen. Doch Cruchot hatte keine Chance, Saint-Tropez ist heute überall, und die berühmteste Gendarmerie Frankreichs ist längst geschlossen.Wer will, kann natürlich noch immer auf den Spuren von B.B. durch Saint-Tropez wandeln, sich in ihr einstiges Lieblingsbistro »Le Gorille« setzen oder bis zur Plage des Cannebiers laufen, wo nur ein paar Schritte hinter dem Strand ihre Villa La Madrague steht. Allerdings hält sich der einstige Filmstar heute nur noch selten in Saint-Tropez auf. In der Öffentlichkeit tritt B.B. nur noch als Tierschützerin und Gefährtin eines Mannes auf, der sich zu Le Pens rechtsradikalem Gedankengut bekennt – aber das ist eine andere Geschichte.
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