Ein Artikel von Petra Sparrer, unserer Autorin des neuen MM-City-Guides »Brüssel« (1. Auflage 2006). Sie liefert Einblicke in die Mode-Welt der belgischen Metropole, in der gerade in jüngster Zeit der Nachwuchs groß herauskommt. Darüber hinaus wird verraten, wo die Upper Class in Brüssel shoppen geht und wer das Outfit für Mick Jaggers Welttournee »Bridge to Babylon« kreiert hat. Aber Brüssels Top-Einkaufsadressen wie Rue du Marché aux Herbes, Rue du Marché aux Charbon, Rue Antoine Dansaert, Avenue Louise und Boulevard de Waterloo lohnen durchaus auch für normalsterbliche Portemonnaies.
Aus der belgischen Hauptstadt und EU-Metropole stammt die Haute Couture der Pralinen. Dieser Ruf jedenfalls eilt ihr vehementer voraus als der eines Mekkas für Mode und Design. Doch wo die Kunst der Chocolatiers als Design zelebriert wird, hatten es auch Kreationen aus Stoff, Designermöbel und Architekturtrends nie schwer. 2006 feiert Brüssel das Themenjahr für Mode und Design. Nicht verpassen: den 17. der beiden folgenden Monate. Im August wird die Grand-Place zum Laufsteg einer öffentlichen Modenschau und am 17. September ist autofreier Sonntag und Models der Top-Modeschöpfer fahren in der »Mode Design Brussels 2006«-Straßenbahn durch ihre Stadt. Prêt-à-porter dynamisch und mobil! Ausstellungen, Stylistenparcours, Design-Menus in gestylten Restaurants und die Designmesse geben noch bis November Gelegenheit, Brüssel modisch und extravagant zu erleben und in jeder Preisklasse nach Herzenslust einzukaufen.
Rückenwind für die Modebranche
Alteingesessene Läden rund um das Sightseeing-Highlight Grand-Place erinnern an den lukrativen Handel mit Brüsseler Spitze. Im Stadtmuseum geraten Besucher vor den hunderten von maßgeschneiderten Outfits für den frechen Ehrenbürger Manneken Pis ins Staunen. In der Rue du Marché aux Herbes und im Saint-Jaques-Viertel mit der Ausgeh- und Schwulenmeile Kohlenmarkt bieten Boutiquen die neuesten Schöpfungen der erfolgreichen belgischen Modeszene: Vintage, flippige Designs und Kindermode neben touristischen Devotionalien und Edelpralinen. Kurioses neben Avantgardistischem, wohin das Auge auch blickt. Und in den Galeries St-Hubert, die zu Europas ersten Einkaufspassagen zählen und einst Flaniermeile intellektueller Exilanten aus Frankreich waren, bieten Luxusmarken wie Delvaux Luxusledertaschen zu Luxuspreisen feil.
Erst wer den Fuß in die Rue Antoine Dansaert setzt, spürt den Rückenwind und wirtschaftlichen Aufschwung der Modebranche. Belgiens Crème de la Crème des Modebusiness begann vor etwas mehr als zehn Jahren in dem fast verfallenen Viertel Sainte-Cathérine, ein paar Schritte von der Börse entfernt, Lofts zu restaurieren und Ateliers und Boutiquen zu eröffnen. Neben Läden für Möbeldesign und Geschenke trifft man hier auf klingende Namen wie Dries Van Noten und Veronique Branquinho. Um die Ecke liegt sicher nicht rein zufällig die alte Markthalle, ein beliebter Treffpunkt im Zentrum nachtaktiver Straßenzüge mit hoher Kneipendichte. Renommierte Markenkreateure wie Christophe Coppens, Olivier Strelli, Annemie Verbeke und Johanne Riss fühlen sich inzwischen in der Rue Antoine Dansaert zu Hause. Sie lieben das kreative Ambiente und den Austausch mit den Kollegen. Beliebt sind auch die hohen Räume, die weiten Flächen zum Sehen und Gesehen-Werden, z.B. beim Stylistenparcours in der Beurschouwburg, dem großzügig gebauten flämischen Kulturzentrum.
Uniformen für die Sabena-Stewardessen und Madonnas Kleid während der Oskarverleihung
Immer mehr Modedesigner der 1986 gegründeten und hoch angesehenen Brüsseler Designerhochschule Ecole de La Cambre und Absolventen der Haute Ecole Francisco Ferrer machen international von sich Reden. La Cambre-Absolvent Olivier Theyskens entwarf das Kleid, das Madonna zur Oskarverleihung trug. Viele Nachwuchsdesigner bekamen Auszeichnungen auf dem Internationalen Modefestival im französischen Hyères. Auch das Atelier Lannaux, St. Luc und Syntra sind in Fachkreisen Begriffe. Elvis Pompilio schaffte den internationalen Durchbruch 1987 mit einer extravaganten Hutkollektion. Olivier Strelli kreierte 1989 und 1999 die Uniformen der Sabena-Stewardessen und 1997 das Outfit für Mick Jaggers Welttournee »Bridge to Babylon«. In weltweit über 500 Boutiquen verkauft er seine erfolgreichen, von Afrika inspirierten Farbkreationen, die so gut zum multikulturellen Brüssel passen. Auch Belgiens Königin Paola, Prinz Philippe und Prinzessin Mathilde ließen sich von ihm einkleiden.
Ehrgeiz wird beim Brüsseler Nachwuchs großgeschrieben. Es gilt dem beispielhaften Erfolg der sechs Antwerpener Marina Yee, Dries Van Noten, Ann Demeulesmeester, Walter van Beiredonck, Dirk Bikkembergs und Dirk Van Saene zu folgen. Denn sie brachen mit dem Monopol der mächtigen Achse Paris-London-Mailand. Christophe Coppens – ganz in Brüssels Esprit – kreiert surrealistisch geprägte Hüte, Taschen und Accessoires, während Annemie Verbeke, Professorin in La Cambre, eher auf ein Outfit setzt, dass sich an Frauen jedes Alters anpasst. Xavier Delcour überträgt seine von der Rockmusik inspirierte Ästhetik auf seine Kreationen und seinen Schmuck.
Alle zwei Jahre ein Stylisten-Parcours und ein Preis für junge Nachwuchsdesigner
Junge Talente und das Label »Made in Brussels« fördert der eingetragene Verein ModoBruxellae (www.modobruxellae.be), angesiedelt in der Rue Léon Lepage, am Puls des In-Modeviertels Dansaert, das sich bis zum Kanal erstreckt. Linda Van Waesberge und Véronique Heenne gelten als Kreativköpfe dieser Vereinigung, die alles mitbekommen, sich für Nachwuchsdesigner einsetzen und alle zwei Jahre einen Stylisten-Parcours organisieren. Ein Top-Event der Branche, jedes Mal an einem neuen besonderen Ort und ein kreativer Austausch zwischen den Modeschaffenden verschiedener Modehäuser. Der Erfolg der Fördereinrichtung gilt als vorbildlich. Inzwischen wurde auch das Pendant für Innenarchitekten, Möbel- und Objektdesigner gegründet – »Designed in Brussels«. Schon nach zwei Jahren emsigen Schaffens und Kontakteknüpfens weit weg von der Rue Dansaert in dem weitaus ruhigeren Laeken, wo auch der belgische König wohnt, initiierte der Verein den »Preis für junge Nachwuchsdesigner«.
Doch wo geht eigentlich die Upper Class in Brüssel shoppen? Sicher nicht im EU-Viertel, wo zwischen Bürohochhäusern und Glasfassaden die Autos über die Stadtautobahn Rue de la Loi brausen. Auf der Avenue Louise im Hause Natan schneidert Edouard Vermeulen nach Maß und ganz exklusiv für die Königsfamilien aus Belgien, den Niederlanden, Dänemark und Norwegen. Brüssels luxuriöseste und internationalste Adresse ist der Boulevard de Waterloo gleich um die Ecke, wo internationale Koryphäen wie Armani, Ralph Lauren, Cartier, Vuitton, Dior Rolex und Co. vertreten sind.
Mobile Verkaufsausstellung in europäischen Metropolen
Modo Bruxellae dachte sich übrigens zum Modejahr 2006 einen besonderen Marketing-Coup aus. Die Kreationen aus Brüssel sollen internationale Luft schnuppern und wurden kurzerhand in einer mobilen Verkaufsausstellung auf Reisen geschickt. »Boutiqk 100% Brussels« präsentierte in New York, Barcelona, Paris, Mailand und dem Belgischen Haus in Köln Kreationen von 20 Designern, darunter Annemie Verbeke, Cathy Pill, Christophe Coppens, Conni Kaminski, Johanne Riss, Mademoiselle Jean, Marina Yee, Nicolas Woit. Natürlich nicht ohne Traditionsbewusstsein für belgisches Design. Die schlichten Pappschränke trugen Jugendstilornamente.
Wer sich lieber selbst vor Ort von der Auffassung des Gesamtkunstwerks des einst hochmodernen Jugendstil überzeugen möchte, ist im Brüsseler Musée Horta an der richtigen Adresse, dem früheren Atelier und Wohnhaus des Meisters der Peitschenstillinie (»ligne coup de fouet«) Victor Horta. Und wer erst einmal beginnt, Brüssel mit den offenen Augen des Liebhabers von Mode und Design zu durchstreifen, dem wird in dieser Stadt die Inspiration so schnell nicht ausgehen.
Adressen:
Modo Bruxellae-Plattform für Modedesigner in Brüssel
Modo Bruxellae
Rue Léon Lepage 38
B-1000 Brüssel
Internet: www.modobruxellae.be
Designed in Brussels
Rue de Laeken 99
B-1000 Brüssel
Internet: www.designedinbrussels.be
Termine:
02.Juni bis 01. Oktober 2006
Ausstellung »Die Geschichte der Mode aus der Sicht zeitgenössischer Modedesigner«
Museum für Kunst und Geschichte im Jubelpark.
17. August 2006, Große Modenschau
Brüsseler Modedesigner auf der Grand’Place.
07. bis 17. September 2006, Design Week
Design-Menus in Restaurants, Ausstellung und Verkauf von Designprototypen und Ausstellungsstücken.
08. bis 10. September 2006, Designers Weekend
Präsentation der Neuheiten der internationalen zeitgenössischen Designszene.
10. September 2006, Brussels Design Market
Flohmarkt, der Designerkreationen aus den 1940ern bis 1980ern gewidmet ist. Woluwé Saint-Lambert, Place Saint-Lambert.
30. September bis Ende November 2006, Ausstellung
»You are my favourite«. Persönlichkeiten Brüssels geben Einblick in ihre Modevorlieben. Galerie Ravenstein.
30. September bis Ende November 2006, Parcours des Stylisten
Präsentation Brüsseler Modekreationen an originellen Schauplätzen wie Restaurants, Blumengeschäften, Büchereien in der Rue Dansaert, Boulevard de Waterloo und Avenue Louise.
19. bis 27. November 2006, Salon Design Brüssel
Plattform für junge Möbeldesigner im Rahmen der Designmesse Cocoon.
Weitere Infos auf der Website des Belgischen Fremdenverkehrsamts
www.belgien-tourismus.de