Wer jetzt im November in Berlin ist, kann noch viel mehr erleben als ohnehin schon. In den Ausstellungen zum 25-jährigen Mauerfalljubiläum geht es um fotografische Liebeserklärungen an eine geteilte Stadt, um die friedliche Revolution der »sozialistisch erzogenen« Deutschen, um einen kreuz und quer durch die Hauptstadt verlaufenden Mauerradweg und – manchmal – um eine etwas verkitschte Ostalgie. Unsere Berlin-Autoren Michael Bussmann und Gabriele Tröger haben sich die wichtigsten Events zum welthistorischen Jubiläum angesehen – und einen ungewöhnlichen Stadtplan entdeckt …
Berlin feiert. Bekanntlich ja jeden Tag. Im November dieses Jahres aber noch viel mehr. Die Hauptstadt feiert sich selbst. Zig Veranstaltungen stehen auf dem Programm, um das 25. Jubiläum des Mauerfalls würdig zu begehen: Ausstellungen, Konzerte, Theater, Podiumsdiskussionen und vieles mehr. Das ganz große Highlight ereignete sich bereits am Wochenende vom 7. bis 9. November: die Installation »Lichtgrenze«, die mit 8000 weißen, leuchtenden Luftballons den Mauerverlauf auf rund 15 km nachzeichnet(e).
Das Ephraim-Palais präsentiert »West: Berlin. Eine Insel auf der Suche nach dem Festland« – die Ausstellung spiegelt Berlin als politischen Brennpunkt während des Kalten Krieges wider. Sie läuft noch bis Ende Juni 2015. Nur noch bis zum 30. November hingegen ist die Exposition »Radikal persönlich« in der Zionskirche in Prenzlauer Berg zu sehen: Zeitdokumente der friedlichen Revolution ziehen hier Betrachter in ihren Bann. Auch toll: die Fotoausstellung »Ich war verliebt in diese Stadt« in der erst kürzlich am neuen Standort im Amerika Haus wieder eröffneten C/O Galerie. Sie zeigt spektakuläre Schwarz-Weiß-Bilder des amerikanischen Fotografen Will McBride, die allesamt in den späten 1950ern in Berlin entstanden. Trümmerlandschaften tauchen auf, die Anfänge des Mauerbaus, junge Menschen voller Hoffnung, und das alles weitab jeglicher Klischees. Das Museum The Kennedys schließlich führt zum Jubiläum mit rund 60 Fotografien von Thomas Billhardt in den Alltag der DDR ein.
Die letzten Reste der Mauer
Alle aktuellen Events rund um das Mauerfall-Jubiläum kann man detailliert auf www.visitberlin.de nachlesen. Wer sich zudem auf die Suche nach dem einen oder anderen Überbleibsel der ehemals geteilten Stadt begeben will, sollte im Reiseführer »Berlin MM-City« nachschlagen. Spazieren Sie zum Beispiel die kunterbunte East Side Gallery in Friedrichshain entlang. Über 100 Künstler aus aller Welt bemalten den rund 1,3 km langen Mauerstreifen in der Wendeeuphorie. Anderen Mauerelementen begegnet man mitten auf dem Potsdamer Platz, wo man sich auf Wunsch – mit der Ostalgie ist immer noch gut Geld zu machen – ein DDR-Visum ausstellen lassen kann. Ostalgiekitsch dicke auch am ehemaligen Diplomaten-Grenzübergang Checkpoint Charlie, wo »Grenzsoldaten« neben einer verkleinerten Kopie des ehemaligen Wachhauses für Touristen posieren. Im Mauermuseum nebenan erfährt man viel Spannendes über alle möglichen Arten der Flucht. Noch ein Tipp: Fahrrad leihen und einen Teil des Mauerradwegs, der kreuz und quer durch Berlin führt, abfahren. Dabei passiert man auch die Gedenkstätte Berliner Mauer, die zu den »Muss«-Sehenswürdigkeiten im Hinblick auf die deutsche Teilung gehört. Die Teilungsnarben des alten Berlins sind kaum irgendwo anders deutlicher auszumachen als an diesem alten Stück Grenzstreifen. Für das kostenlose Dokumentationszentrum und die verschiedenen Themenstationen auf dem Areal sollte man Zeit mitbringen.
Der heiße Scheiß der Nachwendeclubs
Berlin feiert. Ob exzessiver als in den legendären frühen 1990ern, wissen allerdings nur die, die damals dabei waren. Ein Spaß für alle, die in jener Zeit in Berlin lebten und ihre durchtanzten Nächte ins Gedächtnis zurückrufen wollen, ist der pünktlich zum Mauerfall erschienene Stadtplan »Berlin – andere Zeit«. Ungelenker Untertitel: »Historischer Stadtplan der Subkultur der Nachwendezeit«. Die witzige Idee stammt von den Kartographen (und fleißigen Partygängern) Carlos Borrell und Stephan Moskophidis. In dem Stadtplan – noch mit Palast der Republik, Dimitroff-Straße und dem verpackten Reichstag (samt Fußballwiese nebenan) – ist so ziemlich alles verzeichnet, was zum heißen Scheiß der Nachwendeclubs und -bars zählte, gut recherchiert und teils lustig beschrieben.
So erfährt man, dass im einst von der FDJ betriebenen Haus der jungen Talente ab 1990 die Tekknozid-Partyreihe veranstaltet wurde. Dass der Raveclub Sexiland unter dem Rosenthaler Platz vormals eine öffentliche Bedürfnisanstalt war. Und dass man in der Kreuzberger Blechkiste Wachmachpülverchen aus Automaten ziehen konnte – kein Wunder, dass der Gewinner des Blechkisten-Tequilawettbewerbs 42 Stamperl schaffen konnte … Bestellen kann man den Plan über www.berlin-andere-zeit.de.