Jedes Mal, wenn ich in Bordeaux bin, suche ich das Monument des Girondins auf, diesen großartigen Brunnen mit seinen allegorischen Szenen aus sich aufbäumenden Rössern, triumphierenden und verzweifelnden Menschen, und jedes Mal sehe ich den Brunnen mit neuen Augen. Auch die Marmorstatue von Montaigne am Platz sieht anders aus, seitdem ich seine „Essais“ wieder gelesen habe. Am liebsten würde ich den Philosophen und Ex-Bürgermeister der Stadt herunterholen von seinem hohen Sockel, den der bescheidene Mann wohl selbst zu hoch gefunden hätte, und mit ihm ein bisschen plaudern. Auf das Plaudern verstand sich Montaigne hervorragend, Absichtslosigkeit als Methode. Vielleicht ließe sich das auch auf meine Reisetätigkeit übertragen: streunen, staunen und notieren.
Reisen ist für mich stets eine Auseinandersetzung, die damit beginnt, dass ich im Fremden Bekanntes und im scheinbar Bekannten das Fremde suche. So gerät keine Reise zur Wiederholung einer früheren. Dieselben Örtlichkeiten sind nicht mehr dieselben, entweder, weil sie selbst sich geändert haben, oder weil ich meinen Blick auf sie geändert habe. Man könne nicht zweimal in denselben Fluss steigen, fasste vor mehr als 2500 Jahren der griechische Philosoph Heraklit diesen scheinbar banalen Sachverhalt zusammen.