Die gebürtige Berlinerin Sandra Lietze lernte Sardinien im Rahmen ihres Geografie-Studiums kennen und lebt seit der Jahrtausendwende mit ihrem sardischen Mann auf der Insel. Zusammen mit ihm führt sie Wandergruppen durch die unberührte Natur. Für die Ferienhausagentur des Michael Müller Verlags, Casa Feria, ist sie schon seit mehreren Jahren als Mitarbeiterin vor Ort tätig. Letztes Jahr hat sie einen Wanderführer für uns verfasst: »Sardinien MM-Wandern« (1. Auflage 2009). Grund genug für ein Interview mit Fragen zum italienischen Wanderparadies. Denn welche Gebiete soll man ansteuern, wenn man klettern und Höhlen besichtigen oder einen grandiosen Strand besuchen will? Und welche Touren eignen sich eigentlich für Kinder?
1. Frau Lietze, Sie sind seit einigen Jahren als Casa-Feria-Mitarbeiterin auf Sardinien für den Michael Müller Verlag tätig. Wie kam es, dass Sie jetzt auch einen Wanderführer für den Verlag verfasst haben? Oder anders gefragt: Wie wird man eine Wanderautorin?
Ich arbeite ja schon seit mehreren Jahren für den Verlag im Bereich der Ferienhausvermittlung. Eines Tages sprach mich Michael Müller an, ob ich nicht auch Interesse an der Erstellung eines Wanderführers hätte. Da ich bisher nur gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit gemacht hatte und das Angebot mir attraktiv erschien, sagte ich schließlich zu. Zumal mein Mann und ich schon seit vielen Jahren als Wanderführer auf Sardinien arbeiten und viel auf der Insel herumkommen. Wir hoffen, dass es uns gelungen ist, 35 interessante Touren zusammenzustellen, mit denen es Freude macht, Sardinien wandernd zu erleben.
2. Weshalb sollte man gerade auf Sardinien wandern und was sind Ihre Lieblingstouren?
Sardinien ist landschaftlich sehr vielfältig. Von Bergmassiven, die an die Dolomiten erinnern, über mittelgebirgsähnliche Hügelketten bis hin zu fruchtbaren Ebenen mit bizarren Felsformationen ist geographisch alles vorhanden, was für Wanderer spannend ist. Die sardischen Berge sind nicht sehr hoch. Doch sollte man das oft steinige Gelände und vor allen Dingen das Klima nicht unterschätzen. Auch ehrgeizige Wanderer kommen auf Sardinien voll auf ihre Kosten.
Ein weiterer Pluspunkt ist sicher, dass man auf vielen Touren eine optimale Verbindung von Bergen und Meer hat. Das ist auch etwas, was ich persönlich an Sardinien sehr schätze: vormittags eine tolle Tour und nachmittags ein Bad im Meer – das findet man nicht überall in Europa.
Eine bestimmte Lieblingstour habe ich nicht. Mein bevorzugtes Wandergebiet ist aber ohne Zweifel das Supramonte-Gebirge.
3. Was waren Ihre verrücktesten, witzigsten, spannendsten und vielleicht sogar gefährlichsten Erlebnisse während der Recherche?
Da wir von Frühling bis Herbst vor allem mit Wandergruppen unterwegs sind, blieb nur im Winter Zeit, um die geplanten Touren abzulaufen. Für mich ist es immer ein Erlebnis der besonderen Art, zu erfahren, wie sich in dieser Jahreszeit die Natur verändert. In den Flüssen und Schluchten fließt plötzlich Wasser, in den fruchtbaren Küstenebenen beginnt die Vegetation mit dem Wachstum, während auf den höchsten Gipfeln der Insel noch Schnee liegt.
Der Winter ist hier nicht ausschließlich eine Zeit der Ruhe, sondern auch der Erneuerung. Allein durch das Geräusch des fließenden Wassers verändert sich der Landschaftseindruck völlig. Es ist ein schönes Gefühl, dies beim Wandern direkt zu erleben.
4. Wenn Sie nach Sardinien reisen würden und müssten sich für einen einzigen Urlaubsort auf der Inseln entscheiden: Welchen würden Sie wählen – und weshalb sind gerade dort Wanderungen faszinierend bzw. gut zu machen?
Das ist eine schwierige Frage, denn eigentlich ist Sardinien überall schön. Ich mag, wie gesagt, die Verbindung von Bergen und Meer. Deshalb ist die Ostküste sicher eines meiner bevorzugten Gebiete. Außer für Wanderungen gibt es hier zahlreiche Möglichkeiten für Kletter- und Höhlentouren – Aktivitäten, die ich persönlich sehr schätze.
Natürlich kommt es auch darauf an, wie jemand seinen Urlaub gestalten möchte. Wer nebenbei noch klettern will, für den sind Dorgali und Cala Gonone gute Standorte. Wer außer interessanten Wandertouren auch schöne Strände sucht, der ist in Santa Maria Navarrese, Lotzorai oder Girasole gut aufgehoben. Diese Ecke der Ogliastra ist bis heute relativ unbekannt und wenig erschlossen.
5. Welche Ihrer Touren sind besonders für Kinder geeignet – und warum?
Touren für Kinder sind ja nahezu ein Thema für sich, da müsste man, wenn man es ganz genau nimmt, einen Extra-Wanderführer schreiben! Kinder haben ja ganz andere Erwartungen und Wünsche als wir Erwachsene. Seltene Blumen oder tolle Panoramablicke lassen sie eher kalt. Eine ideale Kindertour ist meiner Meinung nach eine abwechslungsreiche Tour, auf der möglichst viel passiert und man etwas erlebt. Auch die Familientouren, die wir anbieten, sind unter diesem Gesichtspunkt konzipiert. So kommen sowohl Eltern als auch Kinder auf ihre Kosten. Das ist für alle sehr viel relaxter!
Schön für Kinder sind auch Touren, bei denen man im Meer baden kann (z. B. Isola Rossa, Chia) oder Wanderungen mit einem abwechslungsreichen Wegverlauf (z. B. San Pantaleo). Und dann ist es für Kinder natürlich toll, wenn man unterwegs Tiere sieht, wie zum Beispiel die halbwilden Hausschweine im Supramonte oder die Wildpferde auf der Giara.