MM-Autoren

»Vom Reisen und Schreiben elektrisiert.«
5 Fragen an Eberhard Fohrer

Über einen (vermeintlichen) Traumberuf, von Lehrern, die mehr Länder als er gesehen haben, und wie man eine Familie mit zwei Kindern sowie die stetige Aktualisierung von sage und schreibe 14 Reiseführern entspannt geschultert bekommt – davon erzählt unser Autor der ersten Stunde: Eberhard Fohrer. Außerdem erfahren wir, weshalb Interrailreisen außer Mode sind und wie es ist, ein heimlicher Bestsellerautor zu sein (der nicht in den überregionalen Feuilletons gehypt wird). Wie beinahe jeden Monat ist auch im Juni ein Reisebuch von Fohrer erschienen: diesmal die 8. Auflage 2009 des »Kykladen«-Guides, selbstverständlich komplett auf der griechischen Inselgruppe überarbeitet.


1. Herr Fohrer, als der Michael Müller Verlag noch in den Kinderschuhen steckte, waren Sie ein Autor der ersten Stunde. Was hat sich in 30 Jahren verändert? Was ist besser geworden, was gefällt Ihnen weniger?

Grübel, grübel, gar nicht so einfach. Ich bin ja mit den Veränderungen mitgewachsen, habe mich selber verändert. 30 Jahre sind eine lange Zeit und vieles hat sich allmählich, nach und nach verändert, so dass ich Zeit hatte, mich darauf einzustellen. Bei manchen Neuerungen habe ich ja auch selber den Anstoß dazu gegeben oder war damit sehr einverstanden – also finde ich mich in den heutigen Produkten weitgehend wieder.
Zweifellos ein großer Fortschritt war natürlich, dass wir – vor vielen Jahren schon – den Schritt zu Farbfotos gemacht haben. Das hat die Führer sehr aufgewertet und es macht natürlich Spaß, seine Erfahrungen auch per Bild weiter zu geben. Sehr positiv ist auch, dass im Verlag über die Jahre eine gewisse Professionalität eingekehrt ist. Probleme gibt es natürlich auch, aber die gehören eher in die Rubrik Verlagsinterna und sollten hier nicht diskutiert werden.


2. Sie sind ein (unbekannter) Bestsellerautor: Ihr sehr beliebter Kreta-Band ging an die 150.000 Mal über den Ladentisch. Ist man manchmal neidisch auf die belletristischen Kollegen, um die schon bei 50.000 verkauften Exemplaren ein Hype gemacht wird?

Das ist mir, ehrlich gesagt, ganz entgangen, dass Belletristik schon bei 50.000 Exemplaren in aller Munde ist. Ich dachte, das geht erst bei 500.000 Exemplaren los … Ich sehe mich nicht als Bestsellerautor (die 150.000 Exemplare muss man ja auf etwa 25 Jahre aufteilen), sondern höchstens als passablen Durchschnitt – und dass ich nicht im Mittelpunkt irgendwelcher Hypes stehe, ist mir durchaus Recht, denn das wäre wohl mit Dutzenden von Interviews, Auftritten, Presseterminen etc. verbunden, und so etwas ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung, denn ich bin sehr bewusst Schreiber geworden und nicht Redner. Oder um ein geflügeltes Wort vom Musikfestival in Woodstock zu zitieren: »I’m a farmer and I don’t know, how to speak to so many people …«


3. Auch Ihre Interrail-Bände haben sich wie geschnitten Brot verkauft. Wie erklären Sie es sich, dass die Verkaufszahlen nach einigen Jahren einbrachen und niemand mehr mit dem Zug verreisen wollte? War der Interrail-Run nur eine kurzzeitige Modeerscheinung?

Puuh, das ist ja schon so lange her, das kann ich kaum noch erinnern. Ich glaube, die Interrail-Tickets wurden weniger verkauft, als sie teurer gemacht wurden. Es war sicherlich eine Modeerscheinung, oder vielleicht eher eine Art Zeitgefühl, allerdings so kurzfristig war das gar nicht, das waren sicherlich zehn Jahre. Dann kamen irgendwann die Billigflieger und das Um-die-Welt-Jetten wurde Mode, die Parkas waren out, Bahnfahren auch. Interrail passt wohl nicht mehr so recht in die Zeit von DSDS und Dschungelcamp …


4. Manche Ihrer Reiseführer überarbeiten Sie seit 30 Jahren – dadurch werden die Bücher immer besser, immer genauer. Was ist der schwierigste Teil einer Recherche? Wo kann man arg danebengreifen?

Das Schwierigste muss nicht vor Ort bewältigt werden, sondern zu Hause am PC. Die gründliche Überarbeitung eines Reiseführers ist ein langwieriger Prozess. Wenn man über viele Jahre seine Bücher pflegt, besteht die Gefahr, dass man sich an manche Textpassagen gewöhnt und diese über Jahre mitschleppt, obwohl sie nicht mehr zeitgemäß und verbraucht sind. Immer wieder alle Texte zu hinterfragen, zu aktualisieren und das eigene Wissen zu vertiefen, ohne das Zeitlimit zu überschreiten und vor allem ohne die Seitenzahl deutlich zu vermehren (sonst schimpft mein Freund und Verleger …), gleicht fast der Quadratur des Kreises. Das Schwierigste ist also sicherlich, die Seitenzahl konstant zu halten, denn wenn man etwas Neues entdeckt, will man es ja bringen – und möchte nicht im gleichen Atemzug ein altes, aber gutes Info dafür eliminieren. Nach einigen Jahren müssen die Texte also ständig gestrafft und gekürzt werden, um Neues reinzulassen.


5. Sind betreuen aktiv 14 Reiseführer, die immer wieder vor Ort überarbeitet werden müssen. Das heißt: Sie sind viel unterwegs, aber gleichzeitig ein Familienvater mit zwei Kindern. Wie bringt man das unter einen Hut – und würden Sie, wenn Sie noch einmal beginnen könnten, wieder dieselbe Karriere wählen?

Tja, noch einmal beginnen – wie reizvoll. Alte Fehler vermeiden, dafür neue machen, von denen ich noch nicht ahnte, dass es sie gibt … Am Beginn meiner Karriere war ich froh, dass ich nicht den Lehrerberuf ergreifen musste, wie geplant. War doch viel cooler, zu reisen, Bücher zu machen und damit Geld zu verdienen, oder? Inzwischen merke ich, dass manche Lehrer von der Welt mehr gesehen haben als ich, weil sie ja nicht dreißig Mal nach Kreta und ebenso oft nach Sardinien fahren (müssen), sondern ihre Reisen viel weiter fächern können und dafür auch genügend Urlaub haben. Trotzdem, denke ich, war die Profession des Reisejournalisten wie für mich geschaffen. Und das Schulsystem hätte mich wahrscheinlich genauso krank gemacht wie die Schüler, deren Enthusiasmus im Keim erstickt wird und die heute schon in der Grundschulzeit über Kopfschmerzen klagen. Mein wirklicher Traumberuf ist allerdings bis heute ein bescheidenes Hobby geblieben: Am liebsten wäre ich Musiker – und um das zu verwirklichen, dafür habe ich entschieden zu wenig getan. Ich war allerdings lange Jahre vom Schreiben wie elektrisiert, da war kaum Platz für anderes. Heute ist die Elektrizität der Anfangsjahre einem langen ruhigen Fluss gewichen, an dessen Ufern sich schon manchmal die Sinnfrage stellt …

Was nun die Recherche angeht: Die 14 Reiseführer, die Sie erwähnen, überschneiden sich ja zum Teil, das heißt mit einer Recherche kann ich oft zwei bis drei Bücher abdecken. Und fünf davon mache ich mit Kollegen zusammen. So wild ist das also gar nicht, etwa drei Mal im Jahr bin ich unterwegs. Schwierig war es vor allem, als die Kinder noch klein waren – da verdanke ich sehr viel meiner Frau, die alle Arbeit zu Hause geschultert hat. Und natürlich ist es schwer, die Familie zurückzulassen und immer wieder alleine auf die Reise zu gehen. Aber ich habe schließlich einen Traumberuf – und bin auch wirklich dankbar dafür.

Passend dazu