Christoph Berg ist unser Wanderprofi für Korsika. Im Brotberuf Diplom-Ingenieur bieten ihm die Fluchten auf seine Lieblingsinsel die genau richtige Dosis, um den Kopf wieder frei zu kriegen. Denn auf Korsika gibt es alles: Strand und Schnee, aber auch Wälder und Wüsten. Im Interview verrät der leidenschaftliche Tourengänger seine Top 3 der korsischen Wanderziele – und beschreibt, weshalb sich auf diesem Eiland ein Wanderurlaub mit Kindern besonders lohnt. Berg hat die Titel »Korsika MM-Wandern« (1. Auflage 2011) und »Korsika Fernwanderwege MM-Wandern« (1. Auflage 2013) für den Michael Müller Verlag verfasst.
1. Herr Berg, Sie haben den ersten Fernwandertitel im Michael Müller Verlag veröffentlicht. Wie kam es dazu? Weshalb wollten Sie nach einem Band über korsische Tagestouren noch einen Fernwandertitel folgen lassen?
Wer zum Wandern nach Korsika geht, hat automatisch auch den berühmten Fernwanderweg GR 20 im Hinterkopf. Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer gut erschlossener Fernwanderwege, die vielleicht nicht ganz so bekannt sind. Ich denke dabei vor allem an die »Tra Mare e Monti«- und die »Da Mare a Mare«-Touren, die wesentlich seltener begangen werden: eine Chance für Wanderer, die außerhalb der größeren Ströme unterwegs sein wollen.
Meine ursprüngliche Idee war es, die Tages- und Fernwandertouren gemeinsam in einen Band zu packen. Das hätte jedoch den Umfang eines einzigen Buches gesprengt. Gerade auf langen Strecken zählt jedes Gramm im Rucksack.
2. Wie plant man für eine Fernwandertour? Was muss man berücksichtigen, was bei Tagestouren weniger wichtig ist?
Da wäre zunächst einmal eine realistische Einschätzung der persönlichen Fitness. Insbesondere der GR 20 erfordert eine sehr gute Kondition. Auch die Packliste setzt eine größere Sorgfalt voraus im Vergleich zu Tagestouren. Jedes Kilo zu viel rächt sich an jedem Aufstieg … Wenn man mehrere Tage in den Bergen verbringt, spielt natürlich auch das Wetter eine zentrale Rolle. Deshalb sind die Auswahl der richtigen Jahreszeit und eine genaue Wetterbeobachtung wichtig. Noch was: Wer in den Berghütten entlang des GR 20 nächtigen möchte, muss vorher reservieren, da die Ressourcen aufgrund wachsender Beliebtheit sehr schnell erschöpft sind.
Das Wichtigste ist aber immer die Sicherheit. Dazu gehören eine gute Ausrüstung, Erfahrung und eine gute Selbsteinschätzung. Dann wird eine Hüttentour zum Hochgenuss.
3. Sie haben zwei Wandertitel zu Korsika für den Verlag verfasst. Was ist für Sie der besondere Reiz dieser Insel, der sie von anderen Wanderzielen unterscheidet?
Es sind vor allem die landschaftlichen Gegensätze, die den Reiz dieser Insel ausmachen: Berge und Meer, Schnee und Strand, Moorwiesen und Palmen, Wälder und Wüsten. Heute ein gemütlicher Strandspaziergang, morgen eine Gipfeltour über ausgedehnte Schneefelder. Auf Korsika ist für jeden etwas dabei – für Familien mit Kleinkindern, für geübte Hochalpinisten, für rüstige Rentner. Die Angestellten des Parc Naturel Régional de Corse (PNRC) sind sehr bemüht, die Wege in Schuss zu halten und neue Regionen zu erschließen.
Ich persönlich schätze vor allem die Ursprünglichkeit der Insel, die noch nicht so überlaufen ist wie beispielsweise viele Alpenregionen. Und wer schon einmal einen der mehr als 120 Gipfel über 2.000 Meter bestiegen hat und bei völliger Stille von oben auf das unter ihm wabernde Wolkenmeer blickt – mit dem endlosen Meer im Hintergrund –, der wird diesen Eindruck nie mehr vergessen.
4. Was ist Ihre Top 3 für Wanderungen auf Korsika? Gibt es für Hardcore-Wanderer, Genusswanderer und Familienwanderer ideale Touren?
Bei der riesigen Auswahl ist das gar nicht so leicht zu beantworten. Für Familien mit Kindern eignet sich besonders die Wanderung zum Melo- und Capitello-See von Corte aus. Das ist zwar schon lange kein Geheimtipp mehr, dafür ist die Tour recht einfach. Und ziemlich spektakulär und abwechslungsreich: zwei Seen, Wasserfälle, Bachquerungen, Kletterabschnitte und Schneefeldquerungen liefern genau die richtige Mischung, um Kindern die Freude am Wandern nahe zu bringen.
Ähnliches gilt auch für den Monte Renoso mit seinen 2.352 Metern. Er ist ziemlich einfach zu erklimmen und punktet mit einer fantastischen Aussicht auf die umliegenden Berge und die gesamte Südhälfte der Insel.
In Küstennähe bleibt der Capo d’Orto bei Piana an der Westküste mein persönlicher Favorit: Man genießt den Blick aus fast 1.300 Meter Höhe über den Golf von Porto.
Für Hardcore-Wanderer ist wiederum der GR 20 ein absolutes Muss. Er gehört zu den schönsten Fernwanderwegen Europas.
5. Was war Ihr wildestes Wandererlebnis auf Korsika?
Als ich in jungen Jahren das erste Mal den GR 20 lief, war wildes Campen noch erlaubt. Um nicht ins Tal abzusteigen, schlugen wir, wie viele andere Wanderer auch, unser Zelt am Abschluss des Asco-Tals auf: am oberen Ende eines ehemaligen Skihanges. Es war noch früh am Abend und so beschlossen meine Kumpels und ich, ohne Gepäck bis zum Hotel »Le Chalet« zu laufen. Nach Tagen des »Genusses« von frischem Quellwasser mussten wir uns einige Feierabend-Bierchen gönnen … Irgendwann war es dunkel, der Petron schloss die Bar, und wir waren nicht mehr ganz zurechnungsfähig. Natürlich hatten wir keine Taschenlampen dabei, denn über einen Skihang ist die Orientierung besonders einfach. Dachten wir. Doch weder der Mond noch die Sterne waren auf unserer Seite. Und die Skilift-Masten, die uns als Orientierungshilfe dienen sollten, blieben unsichtbar … Also stolperten wir einigermaßen planlos durch die Gegend und verirrten uns. Wir waren die ganze Nacht unterwegs, und erst im Morgengrauen fanden wir unsere Route wieder.
Als wir – endlich! – an unserem Zelt anlangten, standen die ersten Wanderer schon wieder auf, um die nächste Etappe anzugehen. Wir waren wieder nüchtern, aber so k.o., dass wir uns erstmal ins Zelt begaben. Als wir uns Stunden später auf den Weg machten, waren wir weit und breit die einzigen Wanderer: Das war uns eine Lehre für alle Zeiten.