In der gefühlt friedvollsten Enklave Lateinamerikas, tausend Kilometer vom ecuadorianischen Festland entfernt, sind unangenehme Dinge wie Raubüberfälle unbekannt. Ein Fahrraddiebstahl wäre schon eine Sensation. Kein Wunder, dass sich immer mehr Besucher auch deshalb für einen längeren Aufenthalt auf den Galapagosinseln entscheiden – ein wahres Naturparadies, dessen einzigartige Flora und Fauna zum UNESCO-Weltnaturerbe gehören. Der Nationalpark nimmt 97 % der Fläche des Archipels ein, über 200 Inseln, Eilande und aus dem Wasser ragende Felszacken. Lediglich 3 % sind agrarisches und urbanes Land. Unser Ecuador-Autor Volker Feser ist ein Galápagos-Experte, der mit seiner Reiseagentur »Salsa Reisen« maßgeschneiderte Inselprogramme organisiert. Volker Fesers persönliche Top Ten auf Galápagos reichen von Albatros-Flugmanövern bis zu ziegelrot-gefleckten Meerechsen, von Vulkankegeln bis zur exotischen Unterwasserwelt.
Meerechsen begegnet man allerorts. Bereits der Shuttlebus vom Flughafen ist wegen den über die Fahrbahn spazierenden Mini-Godzillas zu Ausweichmanövern gezwungen. Sie leben nur an den Galápagos-Küsten. Während sich im Laufe der Evolution graue bis schwarze Arten ausbreiteten – die mit dem längsten Ziehharmonikaschwanz auf Isabela und Fernandina –, gibt es auf Española eine türkis-pink-ziegelrot-gefleckte Neonvariante. Beim Abweiden der Algen verbringen sie locker eine Dreiviertelstunde am Meeresgrund. Nach der Fressorgie strecken sie ihre salzverkrusteten Köpfe auf den angewärmten Basaltsteinen der Äquatorsonne entgegen.
Landleguane warnen zu nahe herantretende Touristen durch heftiges Kopfnicken. Ihre Lieblingsspeise ist der Opuntien-Baumkaktus, dessen Fruchtpolster sie mit den Krallen umherrollen, um die längsten Stacheln zu entfernen. Ihre Freunde sind die Darwinfinken, welche auf ihnen herumtollend die Zecken wegpicken – eine Win-win-Strategie für beide Arten. Gut zu beobachten sind die Drusenköpfe am Dragon Hill von Santa Cruz, auf Plaza Sur, North Seymour, an Isabelas Urbina Bay und auf Santa Fé auch in einer blassgelben Variante, die mit dem Mona-Lisa-Lächeln.
Obwohl ihre Statur es kaum vermuten lässt, legt jede Riesenschildkröte täglich bis zu zwei Kilometer zurück. Je nach Art und Insel haben sie kuppelförmige oder sattelrückenförmige Panzer. Anders als im „Schildkrötenzoo“ der Charles-Darwin-Station lassen sie sich in der subtropischen Parte Alta in freier Wildbahn beobachten – wie sie sich in Schlicktümpeln suhlen, ihre giraffenartigen Hälse nach Laub recken und zu nahe tretende Touristen mit einem Fauchen erschrecken. Per Taxi von Puerto Ayora erreichbar sind zu diesem Zweck die renaturierten einstigen Rinder- und Zuckerrohrfarmen Rancho Manzanillo und Rancho Terramar. Eine schlammige Wanderung erfordert das Reservat El Chato. In seiner Umgebung befinden sich auch Hunderte Meter lange, begehbare Lavatunnel.
Nach 35-minütiger Wanderung durch wunderbarste Opuntien-Baumkakteen-Landschaft ist der feinsandige Playa Brava an der „Schildkrötenbucht“ erreicht. Schatten gibt’s fast nirgends. Baden ist wegen der starken Unterströmungen mitunter riskant – eine rot-gelb-grüne Flagge warnt. Aber hier barfuß zu wandern, ist schon Weltklasse! In der Sonne bratende Meerechsen, Fliegende Fische, Spottdrosseln und Darwinfinken geben sich ein Stelldichein.
Der kilometerlange Strand ist nur ein paar Meter von der Dorf-Plaza entfernt, und per Leihfahrrad erreicht man leicht die Wetlands mit Mangroven, der Flamingo-Lagune und der sogenannten Tränenmauer, ein haushoher Wall aus Basaltbrocken, einst von Sträflingen zur bloßen Genugtuung ihrer sadistischen Wärter errichtet. Der Vulkan Sierra Negra erfordert eine mehrstündige Wanderung entlang seines 10 km breiten Kraterrandes bis vor zum qualmenden, schuhsohlenfressenden Seitenkrater Chico mit grandioser Sicht. Der letzte Ausbruch fand 2018 statt. Phänomenal ist die Bootsfahrt zur Bucht Los Tuneles, wo man zwischen tunnelartigen Lavabrücken mit Meerechsen, Meeresschildkröten, Adlerrochen, Riffhaien, Seepferdchen oder Pinguinen schnorcheln kann. Am schönsten schläft es sich direkt am Meer, z. B. im Isabela Beach House oder der Casa de Marita. Rettungsanker nicht nur für Weltumsegler und Schiffbrüchige ist die auf Sand gebaute Bar de Beto.
Wer die Robinsonade sucht, ist auf der Insel Floreana richtig: wildes Wandern im bezaubernden Bergland des Asilo de la Paz, entlang der Küste auf dem Sendero de los Pulpos in den Sonnenuntergang oder fantastisches Schnorcheln an der Lobería. Heißer Tipp für Crucero-Passagiere ist der Schnorchel-Trip am Felseiland Champion. Wegen des sehr spärlichen Bootsverkehrs mit Puerto Ayora (Santa Cruz) ist ein mehrtägiger Aufenthalt im „magischen Dorf“ Puerto Velasco Ibarra Pflicht. Der 140-Seelen-Ort birgt skandalöse und mysteriöse Geschichten, von einer revolverschwingenden Diva und ihren splitternackten Liebhabern bis hin zu mutmaßlichen Morden und Nazi-Spionage - Berlinale-Tipp (2014) ist "The Galapagos Affair: Satan Came to Eden".
Der Blick vom Mirador auf die Bucht und den Pinnacle Rock ist die Panorama-Ansicht des Archipels schlechthin. Hier oben hüpfen die Herzen, schon wegen der 388 Stufen, die es zu bewältigen gilt. Gleich vis-à-vis auf der lediglich Crucero-Passagieren vorbehaltenen Insel Santiago hüpfen Besucher über grauschwarze Krustenplatten aus bizarr geformten Stricklavastrudeln, im Umfeld erheben sich rostfarbene und ockergelbe Schlackenkegel. Außerplanetarisch! Fürs kontrastreiche Foto ist knallrote Kleidung ideal. Von Puerto Ayora anreisende Tagesausflügler dürfen aber„nur“ auf den Aussichtspunkt.
An der Punta Suárez krallen sich „Christmas“-Iguanas an die Felsen, Nazca- und Blaufußtölpel bilden große Kolonien. Die nur hier brütenden Albatrosse sind die größten Vögel im tropischen Pazifikraum. Wie riesige Transportflugzeuge brauchen sie eine lange Startpiste, spurten mit ihren ausgeklappten Zweieinhalb-Meter-Flügeln durchs Gelände oder watscheln für den Take-off über die Klippe, um sich in die tragenden Aufwinde zu stürzen. Von April bis Juni legt ein Paar ein einziges Ei, das die Eltern im Sinne eines pränatalen Trainings für zukünftige Flugmanöver hin und her rollen. In der Gardner Bay mit ihrem weißen Korallenstaubstrand treffen Schnorchler auf Hundshaie, Rochen, Engel- und Kugelfische. Crucero-Yachten und auch Ausflugsboote von San Cristóbal werfen hier Anker.
Die lange raue Nachtfahrt zu dieser 14 km² großen Insel lohnt sich nicht nur für Ornithologen. Bereits beim Ankerwerfen im Morgengrauen kreisen sie unüberhörbar am Himmel: Über eine halbe Million Vögel sollen hier leben. Es gibt zwei Besucherstandorte – den durch Brandungserosion eingebrochenen Hufeisenkrater der Darwin Bay mit Korallensplitterstrand und die steilen Prince Philip’s Steps auf die 15 m hohe Klippe von El Barranco. Der Pfad führt zu den Nistplätzen von Rotfuβ-, Blaufuβ- und Nazcatölpeln, Pracht- und Bindenfregattvögeln, Rotschnabel-Tropikvögeln, Spottdrosseln, Lava- und Gabelschwanzmöven. Gut getarnt in den Lavanischen versteckt sich die Galápagos-Ohreule, mit 80 cm Flügelspannweite der Schrecken der Vogelkolonien. Beim Schnorchel-Trip am Westufer der Bucht ziehen auch harmlose Hammerhaie ihre Kreise. Wer auf den Kick lieber verzichtet, paddelt im Kayak. Genovesa wird lediglich im Rahmen eines Crucero angesteuert.
Die vom kalten Cromwellstrom geprägte, planktonreiche
Meerenge zwischen Isabela und Fernandina ist ein Naturspektakel. Häufig sind
Delfine, Rochen, Haie oder Wale von Bord aus zu beobachten. Oder es tauchen Hundertschaften
von Blaufußtölpeln am Horizont auf und schießen wie Marschflugkörper
synchronisiert auf die Wasseroberfläche zu, um Fische zu erbeuten. An den
Basaltküsten brüten Pinguine und flugunfähige Kormorane. Ein Landgang an
Isabelas Tagus Cove offeriert ein superbes Panorama vom Kraterrand des Darwin Lake. An Fernandinas Punta Espinoza trifft man auf die
populationsstärkste Meerechsenkolonie.
Überragt wird die gerade
mal 300.000 Jahre junge Insel vom 1476 m hohen Vulkan La Cumbre, bei dessen
Ausbruch 2020 sich die Lavaströme ins Meer ergossen. Eine erneut starke
Eruption ist mit Erscheinen dieses Artikels gerade im Gange (März 2024).
Die für Touristen gesperrte No-go-Area ist die heimliche Nr. 1 unter den Top Ten. In der vorsintflutlich anmutenden Caldera des nördlichsten Schildvulkans auf Isabela führen 8000 Riesenschildkröten ein völlig ungestörtes, bis zu 180-jähriges Leben. Bussarde kreisen über dem 7 km breiten Kraterrund und dessen Flanken, ein Areal von rund 200 km², durchzogen von einem dichten Gewirr aus Schildkrötenpfaden. Ungestört bleiben auch die hiesigen allerletzten 200 rosafarbenen Landleguane. Hollywoodstar Di Caprio spendete einen mehrstelligen Millionenbetrag für deren Arterhaltung.
Tipp unseres Autors: Eine ideale Kombination beinhaltet einen fünf- bis achttägigen „Crucero“ an Bord einer meist 16-Passagier-Kreuzfahrtyacht mit einem ebenso langen „Island Hopping“ im Anschluss.