Was sich etwas verrückt und wild anhört, ist ein spannendes und wichtiges Erlebnis, das Frank Feldmeier, Autor des viel gelobten Mallorca-Inselabenteuer-Reiseführers, für das Reisemagazin recherchiert hat. Denn: Es gibt auf Mallorca noch kein Pfandsystem, und der Biomüll wird vielerorts nicht getrennt. Deshalb liegt die Recyclingquote bei gerade mal 22 Prozent … In einer Hochbahn und mit einer Führung kann man die Müllstadt gratis besichtigen. Dabei geht es um nichts weniger als die Frage: Was passiert eigentlich mit dem Verpackungsmüll, den Einheimische wie Urlauber täglich hinterlassen?
WO? Landstraße Sóller (Ma-11), auf Höhe von km 8,2 abbiegen und dabei den Schildern „Son Reus“, „Tirme“ und „Centre de Visites“ folgen. Google Maps: bit.ly/sonreus-anfahrt. Der Standort markiert einen Kreisverkehr vor der Einfahrt zum Gelände, noch vor der Schranke links abbiegen, Schild „Centre de Visites“, Parkplatz direkt am Kubus.
WANN? An einem Samstag im Monat nach Voranmeldung, comunicacion@tirme.com, Tel. +34 971-21 29 39 (nach „visits“ fragen, Leticia Hevia), bit.ly/sonreus, nächste Termine am 22.10. und 26.11. Nach Absprache und ab 20 Personen pro Gruppe auch individuelle, ebenfalls kostenlose Termine unter der Woche.
WIE LANGE? Rund vier Stunden.
WIE VIEL? Gratis!
WICHTIG! Ein paar Spanisch-Kenntnisse sind von Vorteil. Begrüßungsvideo und Erklärvideo in der Hochbahn auch auf Englisch.
Die Hochbahn fährt gemächlich, es gibt schließlich viel zu schauen. Der Blick richtet sich aber nicht auf die Umgebung – in der Ferne die Berge der Tramuntana –, sondern nach unten: in die Hallen des Recyclingparks von Son Reus. Ein Bagger hievt kunterbunt durchmischte Wertstoffe von einem riesigen Haufen auf ein Laufband. Mitarbeiter sortieren vor, schlitzen Plastikbeutel auf, zerren verirrte Kartonverpackungen vom Band.
Dann rauscht der Müll in eine rotierende Röhre. Durch Löcher in der Außenhülle fallen Verpackungen nach unten auf Laufbänder. Elektromagneten ziehen Dosen und Konserven nach oben weg. Von einem Sensor erkannte Plastikflaschen fegt ein Pressluftstoß vom Band in einen Schacht daneben.
Das also passiert mit dem Verpackungsmüll, den Einheimische wie Urlauber auf Mallorca im gelben Container einwerfen. Was jedoch nicht wiederverwertet werden kann oder im Restmüll entsorgt wird, landet direkt in den Verbrennungsöfen von Son Reus.
Seit mehr als zehn Jahren gibt es auf Mallorca keine Mülldeponien mehr. Unrat und Wertstoffe werden in die Müllstadt Son Reus nördlich von Palma gekarrt, um hier sortiert oder verbrannt zu werden. Damit beauftragt hat der Inselrat die Konzessionsfirma Tirme. Sie kann zwar als Leistung verbuchen, dass der Restmüll weder vergraben, noch verschifft werden muss und mit den Öfen sogar Energie gewonnen wird. Doch Umweltschützer kritisieren die toxische Asche und machen das System für die noch zurückhinkende Recyclingquote von rund 22 Prozent mitverantwortlich. Denn die Rentabilität der Anlage steigt mit der Müllmenge – und ein Pfandsystem gibt es bislang nicht …
Die Führung beginnt in einem futuristischen Gebäude in Form eines Kubus, für dessen Fassade und Dekoration Verpackungsmüll aller Art verwendet wurde – und noch immer zu identifizieren ist. Nach einem Begrüßungsfilm geht es in eine Schau mit Spielzeug aus recycelten Wertstoffen. Und bei der Fahrt mit der Hochbahn sehen wir dann nicht nur die Sortierung von Flaschen, Dosen und Tetra Paks. An der Biogasanlage vorbei geht es auch durch die Kompostieranlage mit ihren dampfenden Hügeln – der Geruch steigt bis ins Abteil herauf. Geredet wird Spanisch, aber die Anlage spricht für sich, und ein zweiter Film auf dem Monitor in der Bahn liefert auch Infos auf Englisch.
Letzte Station ist die Verbrennungsanlage. Es heißt Schutzhelm aufsetzen, Warnweste anlegen und Stufen steigen. Was einmal im Restmüll-Container gelandet ist, wird nicht mehr sortiert, sondern gelangt hierher. Vom Platz des Kranführers reicht der Blick in den Abfallbunker quasi mehrere Stockwerke nach unten. Zwei überdimensionale Krakengreifer hängen bereit, um den Müll in den Ofenschacht zu hieven. Im vergangenen Jahr waren das gut 450.000 Tonnen – pandemiebedingt etwa 100.000 Tonnen weniger als im Jahr 2019.
Der Inselrat hat das Ziel ausgegeben, beim Recycling mehr zu tun und die zwei älteren der vier Linien der Verbrennungsanlage abzuschalten. Das Problem: Der meiste Müll fällt zur touristischen Hauptsaison an. Während die Anlage im Hochsommer also wegen der Urlauber weitgehend ausgelastet ist, gibt es im Winter Leerlauf.
Aber vielleicht wird das Ziel über den vielerorts bislang noch nicht getrennt entsorgten Biomüll erreicht – er macht derzeit rund 40 Prozent des Restmülls aus. Mit EU-Geldern sollen fünf dezentrale Kompostieranlagen auf der Insel entstehen. Und eine Sache haben Einheimische wie Mallorca-Besucher nach der Führung gelernt: Jede Dose oder Flasche, die korrekt entsorgt wird, muss nicht hier verbrannt werden.
Sightseeing mit angenehmeren Aromen gibt es nicht weit entfernt an der Sóller-Landstraße: Raixa, ein öffentliches Landgut mit wildromantischen Gartenanlagen und einem Palazzo (siehe Mallorca – Inselabenteuer, S. 140). Weiter Richtung Sóller, kurz vor dem Tunnel, warten zudem die prachtvollen Jardines de Alfabia mit ihren Laubengängen und Wasserspielen auf den Besuch von Fans mediterraner Gärten (täglich 9.30 bis 18.30 Uhr, 8 Euro).