Reportage

Jagd nach der heißen Lava
Vulkanismus für Fortgeschrittene

Islands Vulkane machen öfter von sich reden – in letzter Zeit durch spektakuläre Bilder mit einem glühenden Lavastrom ganz in der Nähe des internationalen Flughafens. Warum den „Hotspots“ nicht einen Besuch abstatten? Empfiehlt Jens Willhardt, der den gerade frisch aufgelegten Island-Reiseführer zusammen mit Christine Sadler verfasst hat.

Die jüngste Ausbruchsserie in Island begann 2021, die Lava quoll zunächst entfernt von Siedlungen empor – ein Besuch war spektakulär. Aber es war nur ein Auftakt. Zuletzt drohte die Lava den Fischereihafen Grindavík zu verschlingen. Mittlerweile ist der Ort evakuiert und nicht zugänglich. Die Lava hat mehrere Häuser zerstört, Spalten haben sich aufgetan. Es ist gut möglich, dass dies erst der Beginn einer langen Ausbruchsserie ist, die noch viele Jahrzehnte anhalten kann – jahrhundertelang hatte sich kein Ausbruch in dieser Gegend ereignet. Bedroht wird nun auch die berühmte Blaue Lagune, eine milchig-blaue Badelandschaft inmitten eines alten Lavafelds neben einem geothermalen Kraftwerk, das die ganze Region mit Strom versorgt. Mit schwerem Gerät hat man Schutzwälle aufgeschoben – ob die reichen werden? Es wird einem schon etwas mulmig, wenn man sich klarmacht, dass nur wenige Hundert Meter unter einem heißes Magma sich für den nächsten Ausbruch bereit macht.

Das Bild zeigt einen schwarz-roten Lavastrom am Mývatn, der in Rauch gehüllt ist.
Lavastrom am Mývatn – Foto: Jens Willhardt

Lavashows und Sanderflächen

Mit Gedanken an die Menschen, die Hab und Gut verlassen mussten, reisen wir weiter an der Südküste nach Vík. Wenn wir schon keinen echten Vulkanausbruch sehen können, wollen wir in diesem kleinen Ort das Spektakel eines künstlichen Ausbruchs in einer Lavashow hautnah erleben. Plötzlich wird es warm im Raum, wenn flüssige Lava über eine Rinne in den Saal strömt. In den nächsten Minuten können wir beobachten, wie die Lava erkaltet und sich dabei faszinierende Formen wie Lavatunnel oder Stricklava bilden. Voller Eindrücke fahren wir weiter nach Nordosten und müssen dabei eine schwarze Ödnis durchqueren: große Sanderflächen, von Flüssen aufgeschüttete Flächen aus vulkanischem Material. Am Flughafen hat uns der Autovermieter noch Angst eingejagt vor Sandstürmen und uns eine Staub- und Ascheversicherung andrehen wollen. Zum Glück haben wir abgelehnt, wir fahren bei Sonnenschein und Windstille weiter. Die Gegend ist noch aus einem anderen Grund nicht ganz ungefährlich. Vulkanausbrüche unter Gletschern sorgen in regelmäßigen Abständen dafür, dass ungeheure Wassermassen ins Meer stürzen. Dabei wurden von riesigen Eistürmen schon mehrfach Brücken zerstört. Friedlicher sind die Eisberge in der berühmten Gletscherlagune Jökulsárlón, einem der besten Fotomotive der Insel.

Vulkankraterlandschaft am Mývatn

Wir setzen unsere Vulkanerkundung fort im Gebiet des „Mückensees“ (isl. Mývatn) im Nordosten Islands. Dort bewundern wir im Solfatarenfeld Hverir die fauchenden Dampfaustritte und schwefeligen Schlammtöpfe. Wir befinden uns nun wieder in der aktiven Vulkanzone Islands, die sich quer durch das Land zieht. Hier bewegen sich die Erdplatten auseinander, und es dringt alle paar Jahre wieder heißes Magma nach oben, wie wir es bei Grindavík schon erlebt haben. Doch nicht nur das, es kann auch zum Aufbau riesiger Vulkankegel oder zu vulkanischen Explosionen kommen.

Das Bild zeigt einen dampfenden, schwefeligen Steinhaufen im Vordergrund mit rostfarbenen Hügeln im Hintergrund.
Solfatarengebiet Hverir – Foto: Jens Willhardt

Ein wunderschönes Exemplar am Mývatn ist der Ascheringwallkrater Hverfell. Vom Parkplatz stapfen wir auf bröseligem Untergrund steil bergan und kommen mächtig ins Schwitzen. Oben am Kraterrand weht uns der Wind fast aus den Latschen. Der Blick ist überwältigend: Wir sind in einem riesigen Vulkanmuseum gelandet, um uns herum Vulkane, Vulkane, Vulkane. Zum Aufwärmen besuchen wir das Cowshed-Café, in dem man beim Melken der Kühe zusehen kann.

Der Ringwallkrater Hverfell hinter einer gestrüppartigen Landschaft und mit Wolken bedecktem Himmel
Ringwallkrater Hverfell – Foto: Jens Willhardt

Durch die Aschewüsten zum Askja

Als wären es nicht schon genug Highlights gewesen, beginnt jetzt der ganz abenteuerliche Teil unserer Reise: Wir fahren auf einer staubigen Waschbrettpiste ins Hochland. Es schüttelt uns unbarmherzig die Knochen durch, aber wir wollen unbedingt zum Askja, einem riesigen Vulkan, der Ende des 19. Jahrhunderts ganze Landstriche mit Asche verwüstete und für eine Auswandererwelle sorgte. Wir kurven um Lavaplatten herum, bangen bei sandigen Passagen und stellen uns vor, was jetzt eigentlich wäre, wenn wir liegen blieben.

Eine sandige Straße führt durch eine karge Landschaft durchbrochen von schwarzen Felsen.
Auf dem Weg zur Askja – Foto: Jens Willhardt

Gott sei Dank haben wir den großen Jeep genommen, der uns auch bei höheren Wasserständen sicher durch die zu durchquerenden Furten bringt. Wenig später begegnen uns freundliche Ranger, die in einem riesigen Pick-up-Truck hier offensichtlich regelmäßig patrouillieren und gegebenenfalls darüber informieren, dass man nicht abseits der Pisten fahren darf. Für die letzten 30 km brauchen wir eine ganze Stunde. Keine Müdigkeit vorschützen! Wir wollen noch hoch zum ausgedehnten Kratersee und zum Explosionsloch Víti, in dem ein milchiger See verlockend zum Baden aussieht. Doch die Ranger haben uns gewarnt, es komme derzeit verstärkt zu Gasaustritten und wir sollten nicht hinabsteigen. Das ganze Gebiet sei zuletzt in Bewegung gewesen, wer weiß, ob es nicht bald wieder Vulkanalarm gibt.

Ein milchiger See liegt in einem Krater aus rostrot-schwarzem Gestein
Kratersee Víti an der Askja – Foto: Jens Willhardt

Ausklang im Wasser

Nach diesem Höllenritt durch die Aschewüste machen wir einen letzten Abstecher nach Dalvík im Norden Islands für eine Walbeobachtungstour. Ein Raunen geht durch die Passagiere an Deck, als der Buckelwal zum Deep Dive ansetzt und die Schwanzflosse sich aufbäumt.

Voller Eindrücke geht es schließlich auf gut ausgebauter Straße zur Hauptstadt Reykjavík und zurück zum Flughafen. Vor dem Abflug nehmen wir noch ein Bad in der Blauen Lagune, die die letzten Vulkanausbrüche zum Glück unbeschadet überstanden hat.

Die Reportage ist in Zusammenarbeit mit Udo Weierich entstanden.

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