WO? »Oh my God! She‘s Parisian!«, Théâtre Bo, 19
Boulevard Saint-Martin +++ Metro 3/5/8/9/11 République +++
WANN? Samstags um 20
Uhr +++
WWW? julie-collas.com +++
WIE LANG? 1 Stunde +++
WIE VIEL? 24
Euro, für Studenten und unter 26-Jährige 18 Euro +++
Die Pariserin. Klein, zierlich, mit Baskenmütze und gestreiftem Matrosenhemd – und jedes englische Wort, das sie ausspricht, versieht sie mit einem gewaltigen französischen Akzent. Julie Collas, die früher lange in London und New York lebte, hat ihn sich antrainiert, um noch authentischer zu wirken, wenn sie für ihr einstündiges Showprogramm auf die Bühne tritt. Mal zielt sie auf die legendäre Unfreundlichkeit ihrer Landsleute ab: »Wer in der Metro lächelt, dem wird ein mentales Problem diagnostiziert!« Dann wieder gibt sie Einblick in die bewährteste und auch von ihr selbst praktizierte Erziehungsmethode einer typischen Pariser Mutter, die darin bestehe, dem Gör mit einem gepfefferten »Fuck off!« seine Grenzen aufzuzeigen.
Instinktiv habe ich mich in dem kleinen Théâtre Bo, in dem Julie Collas ihre Vorstellung »Oh my God! Sheʼs Parisian!« präsentiert, auf einen der hinteren Ränge gesetzt. So bleibe ich wirklich nur Zuschauerin, anstatt, wie andere Besucher, kurzzeitig Teil der Show zu werden; sie sollen ihren Namen und ihre Nationalität nennen – um dann verballhornt zu werden: Ob er das bitte auf Französisch wiederholen könne?, fordert sie einen Mann auf. Nein??? Was, mon dieu, habe er in Paris zu suchen, ohne die Sprache Molières fließend zu beherrschen? Wisse er denn nicht, dass ihm drohe, gelyncht zu werden?
nicht mit anderen und nicht mit ihresgleichen. »Ihr denkt, die Frauen hier seien schön? Kommt mal frühmorgens vor eine Schule, wenn sie völlig verkatert ihre Kinder abgeben.« Zwei Gesichter offenbart die Komikerin: jenes der eleganten Pariserin, von der die ganze Welt schwärmt – und jenes der gestressten Kratzbürste, die versucht, andere mit ihrer konsequenten Übellaunigkeit fernzuhalten. Klischees, Übertreibungen? Ja, sicher, sonst wäre es wohl nicht so lustig. Und doch steckt in jedem Klischee ein wahrer Kern, und sei er auch noch so winzig.
Alle ihre Sketche schreibt Julie Collas selbst – das erfahre ich am Ende der Show, als sie am Ausgang steht, ihre Gäste verabschiedet und bereit für einen Schwatz ist. Inspirieren, sagt sie, lässt sie sich dabei von ihrem eigenen Leben und den täglichen kleinen und großen Katastrophen.
so hat sie irgendwann alles hingeschmissen, um einfach das zu tun, worauf sie Lust hatte: eine englischsprachige Show auf die Beine zu stellen, in der sie die Klischeevorstellung von der Pariserin so richtig auseinandernimmt – und nicht nur der Pariserin. Wem mancher Witz zu weit ging oder wer sich gar persönlich angegriffen fühlte, der bekommt jetzt am Ende die Gelegenheit, ihr das brühwarm zu sagen. Andere wollen einfach nur ein Foto mit Julie oder ein Küsschen auf die Wange. »Ein wenig übertrieben war das schon?«, frage ich sie. »Kein bisschen«, antwortet Julie trocken, mit ernstem Tonfall – und dem angedeuteten Lächeln der lässigen Pariserin.
Ob vor dem Theaterstück, wenn es noch hell ist und die Boutiquen geöffnet haben, oder danach, wenn es Zeit wird für einen Absacker in einer der Bars – ein Abstecher zum Canal Saint-Martin über den Platz der Republik und die Straße Rue Léon Jouhaux lohnt sich zu jeder Tages- und Nachtzeit. Der Spaziergang am Wasser entlang, über das sich immer wieder schmale Fußgängerbrücken spannen, führt in eine der angesagtesten Ecken in Paris, den Pariser Osten.
Dies ist eines von 33 Erlebnissen in und um Paris, die außergewöhnlich sind und abseits der Routen stattfinden, aufgeschrieben von Reisebuchautorin Birgit Holzer. Der Artikel ist erschienen in Paris – Abenteuer innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.