Abenteuer erleben

Teil 10: Vor der Hacke isses duster
Unter Tage im Besucherbergwerk Graf Wittekind

Am gut versteckten Eingang zum Steinkohlebergwerk Graf Wittekind warten Heinz-Ludwig Bücking und Martin Lochert vom »Förderverein Bergbauhistorischer Stätten Ruhrrevier« bereits auf mich. Ich ziehe einen weißen Overall an, binde mir riesige Knieschoner um, setze einen Helm mit Lampe auf. Bücking hilft mir, einen großen Lederlappen mit Gurten um Hüfte und Oberschenkel festzuziehen, das »Arschleder«. Dann schließt er das schwere Eisengittertor auf.
Gleich hinter dem Eingang gibt es eine Ausbuchtung in der Wand. Wie in einen Schlafsack gehüllt liegt hier eine kleine St.-Barbara-Statue in Tüchern hinter einem Schild, auf dem diverse Notfallanweisungen stehen – und groß »112!«. Beiläufig klappt Bücking das Schild nach vorne und legt seinen Autoschlüssel dahinter. »Wenn etwas passiert, liegt im Kofferraum das Notfallhandy«, schärft er mir ein.

+++ STECKBRIEF +++

Wo? Hohensyburgstraße 169 +++ Vom Wanderparkplatz Syburg ca. 10 Minuten Fußweg am Westhang des Syberges unterhalb der Hohensyburg +++
Wann?
Nur nach Absprache samstags um 9.15 Uhr +++
Wie lange? Ca. 3 Stunden +++
Wie viel?
Eine Spende wird erwartet +++ 0231-713696 +++
www?
Förderverein Bergbauhistorischer Stätten Ruhrrevier e.V. +++

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Im Stollen ist es ganz schön eng. (Foto: Renate Zöller)

Die Funktion des Arschleders

Dann geht er auf die Knie und krabbelt in den etwa ein Meter hohen Stollen hinein. Ab 1582 wurde hier Steinkohle abgebaut. Auf bequeme Gehhöhe mussten die Bergleute damals leider verzichten. An den Wänden sieht man die Spuren der Spitzhacken, mit denen sie sich in mühsamer Handarbeit ihren Weg durch das Gestein klopften, immer am Flöz entlang. In Körben schleiften sie die Kohle aus dem Berg. Später wurden die Eingänge zugeschüttet. Seit 1986 trifft sich der »Arbeitskreis Dortmund« des Fördervereins samstags und legt ehrenamtlich ebenso mühsam die verfallenen Gänge wieder frei. Eine archäologische Grabung, an der jeder teilnehmen darf, der eine Schaufel halten kann. Die Knieschoner sind klasse, ich spüre die vielen Steine gar nicht, und auch nicht das Stahlgitter, über das wir krabbeln. Das ist die »Brücke«, erklärt mir Bücking und zieht das Gitter hoch. »Hier haben wir die Verbindung zum unteren Stollen wieder freilegen können.« 90 Zentimeter breit und 50 Zentimeter hoch ist der Zugang. »Denken Sie daran, sich immer an dem Seil links festzuhalten, sonst werden Sie zu schnell«, sagt er. Ich beginne die Funktion des Arschleders zu verstehen. Auf den glitschigen Grund setzen – und schwupp, rutschen wir 35 Meter tiefer.

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Illustration: Mirja Schellbach

Ich bin groggy, aber voller Adre­nalin

Kriechend bewegen wir uns durch die schmalen, niedrigen Gänge. Längst sind die Handschuhe durchgesuppt und auch die Knie nass. Recht steil hoch geht es in eine nur zum Teil abgebaute Kohleschicht hinein. Hier muss man seitwärts robben, ich stoße mit der Hüfte an die Decke. Bücking hält mir eine Spitzhacke hin. Schräg über Kopf und im Liegen hackten die Bergmänner sich in das Flöz. Mir fällt es schon schwer, die Hacke überhaupt auf der Seite liegend anzuheben, geschweige denn, Schwung hineinzubringen. Ein paar winzige Brocken kann ich losschlagen, einen nehme ich stolz als Souvenir mit. Mit dem Abraum wurden die ausgekohlten Flözbereiche aufgefüllt und so das Bergwerk stabilisiert, erzählt Lochert. Brach ein Flöz wegen Erdverschiebungen ab, musste Stein geklopft werden, bis man es wieder gefunden hatte. Das gelang nicht immer, wie eine tote Strecke zeigt. »Vor der Hacke isses duster«, sagt Bücking lakonisch. Drei Stunden lang zeigen die beiden mir ihre zurückeroberte Unterwelt. Danach bin ich groggy, aber voller Adre­nalin. Ob es darum »Glückauf« heißt?

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Wenn man schon mal hier ist

Rund 20 Minuten läuft man vom Bergwerk über einen schönen Waldweg zur Burgruine Hohensyburg mit der Kirche St. Peter zu Syburg und dem Petersbrunnen, der 799 von Papst Leo III. eingeweiht worden sein soll. Erste Siedlungen gab es hier oben bereits 700 v. Chr., der Blick ist atemberaubend, der Zusammenfluss von Ruhr und Lenne mit dem Hengsteysee ein echtes Naturspektakel. Kein Wunder, dass die Kulisse à la Caspar David Friedrich auch als Naturbühne dient.

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Die Burgruine Hohensyburg. (Foto: Renate Zöller)

Dies ist eines von 33 Erlebnissen im Ruhrgebiet, die außergewöhnlich sind und abseits der Routen stattfinden, aufgeschrieben von Reisebuchautorin Renate Zöller. Der Artikel ist erschienen in Ruhrgebiet – Abenteuer innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.

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Illustration: Mirja Schellbach

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