Abenteuer erleben

Teil 16: Abjehoben
Mit dem Segelflieger über Brandenburg an der Havel

Autorin Gabriele Tröger<br>
Autorin Gabriele Tröger
Autor Michael Bussmann<br>
Autor Michael Bussmann

+ + + Steckbrief + + +

WO? Fliegerklub Brandenburg, Mötzower Landstr. 120, 14776 Brandenburg
+++ Von Berlin Hbf. Mit der RE1 nach Brandenburg, dann mit der Tram 6 bis neustädtischer Markt und weiter mit Bus f/562 bis Segelflugplatz; Fahrt insgesamt ca. 80 Minuten +++
WANN?
Nach Absprache, von Mai bis Oktober meist Samstag und Sonntag +++
WWW? fliegerklub-brandenburg.de +++
WIE LANGE?
Auch wenn der Flug nur 15 bis 30 Minuten dauert, sollte man einen halben Nachmittag einrechnen, da man zuweilen etwas warten muss (keine festen Abflugzeiten) +++
WIE VIEL?
 15 Minuten 20 Euro, 30 Minuten 40 Euro +++

Illustration 1: Abjehoben
Illustration: Mirja Schellbach

Der Brandenburger Fliegerklub

mischt in der Bundesliga mit, stand auf der Internetseite. Aktuell: fünfter Tabellenplatz. Hey, dachte ich, wer Bundesliga fliegt, muss verdammt gute Piloten im Team haben. Jetzt rumple ich über ein Stoppelfeld zum Startpunkt und frage mich: Sieht so ein Bundesliga-Flugplatz aus?
Ich parke neben einem alten schwarzen Golf, von dem man nicht glaubt, dass er noch anspringt. In großen roten Lettern steht »Feuerwehr« darauf. Ich spaziere auf einen Kleintransporter zu, der ein wenig aussieht wie die bimmelnd-fahrenden Eisdielen aus meiner Kindheit. Rot-weiß gestrichen, mit rot-weißer Markise. Das Dach ist aufgeschnitten, der verbeulte Panamahut des Flugleiters lugt heraus. Über der Fahrerkabine eine wacklige Antenne. Ich höre Rauschen und Funksprüche. Das ist also der Tower.

Segelflug
Eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch – Foto: Michael Bussmann

Übers Rollfeld

– die Betonung liegt auf »Feld« – kommt ein betagter Suzuki angeholpert. Wie die Follow-me-Fahrzeuge auf den großen Flughäfen ist er an den Seiten schwarz-gelb lackiert. Die Heckklappe steht offen, im Schlepptau ein Segelflieger. Ein Zweisitzer. Er wird in Position gebracht. Ich taste den Rumpf mit den Augen ab. Halte nach Dellen Ausschau. Alles super. Der Flieger glänzt wie eine nagelneue Segeljacht.


Es ist der Segelflieger, mit dem auch ich abheben werde. Doch ich muss mich noch gedulden. Vor mir sind andere am Start. Es werden die Hauben geöffnet. Fallschirme angelegt. Pilot und Passagier steigen in die Kabine, der eine leichtfüßig, der andere unsicher. Die Hauben werden zugezogen. Aus dem Eisdielen-Tower höre ich Fetzen des Funkverkehrs: »Startklar!« »Seil anziehen!« Und kurz darauf jagt die Maschine über die Grasnarbe. Zehn, fünfzehn Meter vielleicht, nicht mehr. Dann zieht sie steil nach oben, auf 300 bis 400 Höhenmeter in wenigen Sekunden. Und schon klinkt das Seil aus und geht mit einem kleinen Fallschirm zu Boden. Das sieht aus, als hätte jemand eine Qualle am Himmel geangelt. An einem Himmel, in dem gerade ein Segelflieger verschwindet.

Illustration 2: Abjehoben
Illustration: Mirja Schellbach

Meine Pilotin heißt Ines.

»Im Flugzeug duzt man sich«, hat sie gesagt.
Nachdem Ines das Startwindeseil hatte ausklinken lassen, sackten wir kurz ab – Magensalto! Jetzt schrauben wir uns nach oben. Der Höhenmesser gibt bereits 500 Meter an. Der rechte Flügel zeigt zu Boden, der linke ins weite Blau. Das Variometer piepst leise, ansonsten hört man nur noch den Wind. Ines strahlt eine Lässigkeit aus, die sich auf mich überträgt.

Unter uns eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch. Glitzernde Seen mit Inselchen und Flüsse mit Booten darauf. Ich sehe den mächtigen Dom von Brandenburg an der Havel. Die roten Dächer der Altstadt. Den Strand des Beetzsees. Den Plauer See und den Breitlingsee in der Ferne. Theoretisch könnten wir uns über Felder, Wälder und Seen bis zum Gollenberg bei Stölln tragen lassen. Luftlinie sind es etwa 40 Kilometer. Der Gollenberg gilt als die Wiege des Segelfluges. Otto Lilienthal unternahm dort seine Flugversuche. Auch der Flugsportverein Stölln nimmt Gäste mit. Ob die ebenfalls Bundesliga fliegen?

Brandenburg Havel
Bronzener Waldmops – Foto: Michael Bussmann

Wenn man schon mal hier ist:

Brandenburg an der Havel sollte man sich unbedingt auch einmal ebenerdig anschauen. So viele sich durch die Stadt schlängelnde Wasserwege gibt es hier, dass man gerne schon mal die Orientierung verliert. Macht nichts!

Zum mächtigen Dom auf einer von Wasser umflossenen Insel findet man immer. Und wer sich fragt, was es mit den bronzenen Waldmöpsen allerorts auf sich hat, sollte an den bekanntesten Sohn der Stadt Vicco von Bülow alias Loriot denken: »Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.«

Dies ist eines von 33 Erlebnissen um Berlin, die außergewöhnlich sind und abseits der Routen stattfinden, aufgeschrieben von den Reisebuchautoren Gabriele Tröger und Michael Bussmann. Der Artikel ist erschienen in Berlin Abenteuer – Überlandabenteuer (1. Auflage 2022) innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.

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