Er wuchs wenige Jahrhunderte nach der minoischen Epoche Kretas auf, liegt versteckt an einer Holperpiste und wird von den meisten Reisenden übersehen. Die Rede ist von einem der ältesten Olivenbäume der Welt, der bei Kavoúsi im Osten der Insel wurzelt. Wie man dorthin gelangt und was es mit dem Natur-Methusalem auf sich hat, weiß Eberhard Fohrer, dessen Kreta-Reiseführer in 22. (!) Auflage vorliegt.
Kavoúsi ist ein nettes, aber eher unscheinbares Dorf am Fuß der fast senkrecht ansteigenden Nordwestflanke der Thriptí-Berge im Osten der langgestreckten Insel Kreta. Die meisten Urlauber fahren mehr oder minder achtlos hindurch, denn auf den ersten Blick gibt es nichts zu sehen. Die Durchgangsstraße zieren Oleander und Maulbeerbäume. Der Ortsteil darüber zeigt sich verwinkelt mit Treppen, Pflasterwegen, einer Kirche, sechs Kapellen (Schlüssel jeweils beim Nachbarn) und Blumen über Blumen.
Zu Fuß zum Methusalem
Am östlichen Ortsausgang machen Schilder darauf aufmerksam, dass man hier bis zum Eingang der nahen Chavgás-Schlucht laufen kann, die in der Felswand gut sichtbar ist – erfahrene Kretawanderer wissen, dass hier einige interessante Routen warten, die zum Teil an pittoresken historischen Wasserrinnen entlang führen.
Hier verbirgt sich aber auch die größte Sehenswürdigkeit von Kavoúsi. Gut versteckt steht nämlich etwa 2 km landeinwärts vom östlichen Ortsausgang ein etwa 3.250 (!) Jahre alter Olivenbaum, genannt »Archaía Eliá Azoriá«. Zu erreichen ist er auf einer rechten Holperpiste (beschildert mit »Old Olive Tree« o. Ä.) – Jeep-Safaris finden manchmal den Weg durch die Olivenhaine, und auch im Mietwagen kann die Tour mit Vorsicht gemacht werden. Besser für Auto und Fahrer ist es jedoch, eine kleine Wanderung zu unternehmen.
Ein Durchmesser von 4,90 Meter
Der höchst imposante und weit ausladende Baum von Kavoúsi gilt als einer der ältesten Ölbäume weltweit, auf Grund der Altersschätzung anhand seiner Jahresringe begann er sein Wachstum nur einige Jahrhunderte nach der berühmten minoischen Epoche Kretas! Heute beträgt der Durchmesser seines Stamms 4,90 Meter. Der Umfang in 80 Zentimeter Höhe liegt bei 14,20 Meter.
Der Olivenbaum trägt nach wie vor Früchte, und bei den Olympischen Spielen von 2004 in Athen wurde ein Siegerkranz aus seinen Zweigen gebunden. Seit 2015 läuft der Antrag auf Eintrag in die Liste des Weltnaturerbes der UNESCO.
Archaische Zeit, archaischer Name
Seinen Namen hat der stolze Baum von der Stadt Azoriá aus archaischer Zeit. Man kann ihre Überreste in prächtiger Hügellage besuchen, wenn man vom Natur-Methusalem die Piste noch einen knappen Kilometer weitergeht und dann linker Hand den Hang hinaufsteigt. Erbaut wurde sie um 600 v. Chr., aber bereits 100 Jahre später durch Feuer zerstört.
Auch fürs leibliche Wohl ist in der einsamen Ecke gesorgt, denn einkehren lässt es sich gut in der Taverne »Elianthi«, wenige Meter entfernt vom Olivenbaum.
GPS-Daten »Archaía Eliá Azoriá«: 35°06'54.78"N – 25°51'40.43"E